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Andere Forscher, welche sich mit diesem Gegenstande beschäftigt haben,
sind wesentlich zu demselben Resultate gelangt, als Irminger. So meint
Prof. Colding,‘) dafs der warme Strom, welcher längs der Westküste von
Island nach Nord setzt, allmählich nach dem Polarstrom hin abgelenkt wird
und mit diesem wieder zurück nach. SW sich wendet, wobei mithin die Nord-
küste. /slands unter die ausschliefsliche Herrschaft des Polarstromes kommt.
Petermann?) nimmt an, daß der warme Strom an Islands Westküste im
Sommer um das Land herumbiegt und längs der Nordküste seinen Weg
nach Osten fortsetzt, während dagegen im Winter an der Westküste .die
Temperatur des Wassers an der Oberfläche bis unter 1° und an der Nordküste
bis unter 0° sinkt. °
Endlich hat zuletzt Mohn?) ausgesprochen, dals der nach Nord setzende
warme‘ Strom an der Westküste von /sland wahrscheinlich als ein Reaktions-
Strom angesehen werden müsse, hervorgerufen durch den Polarstrom längs der
Ostküste von Grönland, mit welchem er sich schliefslich vereinigt und nach
SW umwendet, wozu ihn vielleicht die nach Norden hin abnehmenden Tiefen
der Strafse zwingen.
Für den Winter nehmen alle Autoren für die Wasserwärme nördlich von
Island in allen Tiefen eine Temperatur unter 0° an.
Die interessantesten Messungen der „Fylla“ im Sommer 1877 wurden in
den Tagen vom 18,-—22, Juni in dem nördlichen Theil der Dänemark-Strafse
unter sehr günstigen Witterungs- und ziemlich normalen Eisverhältnissen aus-
geführt. Wie die Uebersichtskarte (s. Tafel Figur I) zeigt, erfolgten die
Tiefen- und Temperaturmessungen in drei Querschnitten von der Küste Islands
bis zum Grönlands-Eis. Der südlichste Schnitt ging von der Brede-Bucht in
westnordwestlicher Richtung bis zur Eiskante, welche in ca 100 Sm Abstand
vom Lande vorgefunden wurde; in dem mittleren Schnitt, vom Patricks- Fjord
nach NW, wurde das Eis schon in 60 Sm Abstand erreicht, und in dem
nördlichsten Schnitt, von Straumnes nach NW, sogar schon in 40 Sm Abstand.*)
In seinem offieiellen Bericht giebt Kapt. Jacobson nachstehende charakteristische
Beschreibung der während der Messungen in der Dänemark-Strafse angetroffenen
physisch-oceanischen Verhältnisse, )
„Als ich am Schlufs des Monats April in Reykjavik mit der „Fylla*
ankam, war die allgemeine Ansicht, welche sowohl durch den Witterungs-
charakter, als auch durch die von der Nord- und NW-Küste her erhaltenen
Nachrichten bestätigt wurde, dafs das Eis sehr nahe an der Küste liege,
und dies wurde in noch höherem Grade wahrscheinlich gemacht, als ich mit
dem Schiffe von Mitte Mai bis Anfang Juni die meisten Fjorde an der NW-Küste
besuchte. Dort zeigte sich nämlich eine im Horizont-ununterbrochen feststehende
Nebelbank, welche ein sicheres Zeichen dafür abgab, dafs das Eis nicht weit ent-
fernt war. Da mir inzwischen von allen Seiten gesagt wurde, dafs in der letzten
Hälfte des Monats Juni das Eis immer am weitesten entfernt von der Küste sich
befände, nahm ich an, dafs ich zu dieser Zeit am sichersten weiter nach Westen
kommen und zugleich auch günstiges Wetter zur Gewinnung von Tiefseelothungen
antreffen könne; ich entschlofs mich daher, jetzt mit meinen Arbeiten zu beginnen,
Nachdem ich einige Probeversuche mit der mitgegebenen Lothleine gemacht
hatte, ging ich mit der „Fylla“ am 17. Juni 1877, 3'/* p.m., von der Rhede
von Reykjavik aus bei schönem stillem Wetter in See und setzte Kurs auf
Snefjelds-Jökull, indem ich beabsichtigte, wenn das Wetter sich ruhig verhielt,
eine Linie nach Westen hin auszulothen, sobald Onvardarnees passirt sei. Da
das Wetter am nächsten Morgen schön, mit Stille und hohem ruhigem Barometer-
stand war, setzte ich um 4% a.m. Kurs zw WNW, indem jede Stunde eine
Temperaturmessung gemacht und ein sehr genaues Besteck geführt wurde.
Die Nebelbank, welche im NW stand, verbreitete sich nach und nach über den
!) „Om Strömningsforhold i almindelige Ledninger og i Havet“. 1870, pag. 125 ff,
) Geogr. Mitth., 1870, pag. 220 #. - )
3) Geogr. Mitth., 1878, pag. 10 ff.
4) In Wirklichkeit segelte „Fylla“ von dem äufsersten Punkt des südlichsten Schnittes längs
der Eiskante bis zum Ende des dritten Schnittes und begab sich von da zurück nach Zsland.