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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 8 (1880)

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noch nicht augezeigt. Nach dieser letzteren Zeit beganu aber das Barometer 
in zunehmender Progression zu fallen. Indessen selbst dieser Umstand konnte 
bei dem nördlich dreheuden Winde anfangs noch keinen Grund zu ernstlicher 
Befürchtung geben. Kapt. Kühn bemerkt, dafs er bis zu dieser Zeit wohl 
eine in gewohnter Weise verlaufende Passatstörung, aber keinen Orkan erwartet 
habe. Die einzige ungewöhnliche Erscheinung, welche man bis zum Mittage des 
25. März beobachtete, war der um die Sonne sich zeigende Hof, Am Nach- 
mittage wurde jedoch das Aussehen des Wetters ein bedrohliches; von 4 Uhr 
an bedeckten nimb.-Wolken den ganzen Himmel, bei zunehmendem Winde gab 
cs heftige Regenböen, und um 3 Uhr wehte es aus NzE in Stärke 7. Um 9 Uhr 
abends, als es bei einem Luftdrucke von weniger als 756,0mm aus N in Stärke 
von 9—10 stürmte, war Kapt. Kühn zu der Ueberzeugung gekommen, dafs ein 
Orkan im Anzuge sei, und wurden nun, so rasch wie möglich, alle Vorkeh- 
rungen, die zur Sicherheit des Schiffes beitragen konnten, getroffen. Man 
machte alle Segel bis auf die Untermars- und das Vorstengenstagsegel fest und 
drehte mit dem Schiffe bei. Ueberraschend schnell nahm jetzt die Windstärke 
zu, um 9!% Uhr abends wehte es schon orkanartig; in gleicher Weise ver- 
gröfserte sich auch der Seegang. Zwischen 10 und 11 Uhr traf ein aufser- 
gowöhnlich heftiger Windstofs das Schiff, das Voruntermars- und das Stagsegel 
zerrissen, und zur selben Zeit legte sich das Schiff derart auf die Seite, dafs 
die aus Reis bestehende Ladung im Schiffsraume überging. Das Schiff, dem 
das Wasser nun bis an die Luken reichte, war in diesem Zustande dem Kentern 
nahe, und um sich zu retten, blieb kein anderes Hülfsmittel, als einen Theil 
der Masten zu kappen. Mit Mühe wurde der Besansmast und die Marsstengen 
gekappt, und lag, nachdem dieses bewerkstelligt worden war, das Schiff auch 
ziemlich gesichert. Der Orkan, in dem die Windrichtung sich stetig von N 
durch NW nach W geändert hatte, hielt fast ununterbrochen an bis 12 Uhr 
mittags am 26. März. Zwischen Mitternacht und 2 Uhr morgens war die Wind: 
stärke zwar etwas geringer, doch stürmte es nach der letzteren Zeit aus WNW 
bis W wieder in voller Kraft. Erst am Nachmittage des 26. März mäfsigte 
sich die Windstärke, und zwar dann in sehr rascher Weise. Den geringsten 
Luftdruck beobachtete man um 5 Uhr morgens am 26. März mit 744,3mm; 
nach dieser Zeit begann derselbe zuzunehmen; um 10 Uhr vormittags war er 
auf 752,7mm, um 4 Uhr nachmittags auf 756,3mm gestiegen. 
Als es sich bei T’agesanbruch am 26. März zeigte, dafs der Fockmast 
derartige Beschädigungen erlitten hatte, dafs sein Stürzen jeden Augenblick 
zu erwarten war, wurde auch dieser noch gekappt. Unter Notmasten segelte 
„Deutschland“ später, vor beständig aus SE wehendem Winde, nach Mauritius 
wohin das Schiff am 2. April, in Begleitung eines anderen gleichfalls ent- 
masteten Schiffes, gelangte. 
Aus der Verschiedenheit im Auftreten dieses Orkanes auf Mauritius und 
bei „Deutschland“ ergiebt sich, dafs die Richtung der Bahn sich in der Zeit 
vom 21. bis 25. März von einer südwestlichen zu einer südöstlichen verändert 
haben mufß; ein Vorgang, der für Orkane in diesem Teile des Indischen 
Oceans ja auch der gewöhnliche ist. Dio mittlere Fortbewegung des Orkanes 
auf seiner Bahn würde, wenn man annimmt, dafs das ÖOrkancentrum in jedem 
der beiden Fälle zu der Zeit, als der Luftdruck am geringsten war, sich in 
gröfster Nähe von Insel und Schiff befand, eine mittlere Schnelligkeit von 6 Sm 
auf der nach Schätzung 750 Sm langen Bahn sein. Hs ist indessen wahrschein- 
lich, dafs die Schnelligkeit beim Passieren von Insel und Schiff eine weit 
gröfsere, hingegen dort, wo die Umbiegung in der Bahn stattfand, eine beträchlich 
geringere war. Wenn bei „Deutschland“ die Gewilsheit des kommenden Orkans, 
im Gegensatze zu Mauritius, erst ganz kurze Zeit vor dessen Eintreffen erlangt 
wurde, 80 ist außer der genauen Kenntnis der auf der Insel wohlbekannten 
Gefahr und den so viel schärferen Beobachtungen am Observatorium zu berück- 
sichtigen, dafs „Deutschland“ dem Orkan mit einer eigenen Schnelligkeit von 
8 Kn entgegenlief, auch wegen der so viel gröfseren Breite des Schiffsortes 
die Wahrscheinlichkeit des Antreffens eines Orkanes dort immerhin eine geringero 
war. Der gröfseren Entfernung vom Orkancentrum entsprechend war bei 
„Deutschland“ der geringste beobachtete Luftdruck noch um 6,83mm höher, als 
auf Mauritius. Aus demselben Grunde erfolgte bei „Deutschland“ auch das 
Umlaufen des Windes rascher und in gleichmäfsigerer Weise.
	        
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