während der Ebbestrom beiderseits von Dover weg setzt. Diese Strömungen
nennt Beechey die Kanalströmungen im Gegensatze zu den oceanischen
oder äusseren Strömungen, welche beiderseits ausserhalb des Gebiets gleich-
zeitigen Stromwechsels herrschen.
In der Strasse von Dover begegnen sich die beiden Kanalströmungen, und
zeigen sich hier einige bemerkenswerthe Erscheinungen. Der Strom wechselt
nämlich hier, obwohl er zuerst der einen, und dann der anderen Kanalströmung
gehorcht, nicht gleichzeitig mit diesen seine Richtung, sondern er läuft noch,
wenn bei Hoch- und Niedrigwasser am Ufer die Kanalströmungen aufgehört
haben, so dass die Strasse von Dover zu keiner Zeit in ihrer ganzen Ausdehnung
Stauwasser hat. Deshalb nennt Beechey diesen Strom den Zwischenstrom
(„intermediate stream“). Die Linie, auf welcher sich die Kanalströmungen begegnen,
ist nicht stationär, sondern verschiebt sich langsam von Westen nach Östen,
wie Beechey in folgenden Worten beschreibt.
„In der Strasse von Dover oscillirt diese Linie des Begegnens und der
Trennung zwischen Beachey Head und North Foreland auf einer Strecke von
ungefähr 60 miles. Wenn das Wasser an der Küste bei Dover zu fallen be-
ginnt, fängt eine Trennung der Kanalströmungen an of Beachey Head, Bei
fortschreitendem Fallen bewegt sich diese Linie langsam ostwärts. Zwei Stun-
den nach Hochwasser hat sie HMastings erreicht, drei Stunden nachher Rye, und
so geht sie weiter, bis sie zur Zeit von Niedrigwasser an der Küste ungefähr
North Foreland auf der einen Seite der Strasse und Dünkirchen auf der andern
erreicht hat. Um diese Zeit haben die Kanalströmungen auf beiden Seiten
Stauwasser, aber in dem Theile, welchen ich den Zwischenstrom in der
Strasse von Dover nenne, läuft das Wasser immer noch westwärts; und wenn
die neuen Kanalströmungen bei dem Eintritt des Steigens des Wassers am Ufer
anfangen sich bemerklich zu machen, so vereinigt sich der Zwischenstrom mit
der einen oder andern dieser Strömungen, oder er widersetzt sich einer der-
selben, je nachdem es vor der Umkehr der Fall war; so dass, wie vorher
erwähnt, die Linie der Begegnung der Strömungen bei Niedrigwasser ihre Be-
wegung nach Osten wieder aufzunehmen scheint. Dieser Zwischenstrom ist
eine bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit des Systems der Gezeiten im Kanal;
er ist gut festgelegt, da die Linie der Begegnung und Trennung einen sehr
eng begrenzten Raum einnimmt und scheint lediglich der verengten Gestalt des
Kanals in dieser speciellen Gegend, welche den freien Austritt des Wassers
verhindert, seine Entstehung zu verdanken.“
Die Trennungslinie ist in der That so scharf markirt, dass zwei Fahr-
zeuge, welche Capt. Bullock zwischen Beachey Head und Dungeness eine See-
meile von einander verankert hatte, zu derselben Zeit auf entgegengesetzten
Kursen lagen, indem jedes einer der beiden Kanalströmungen gehorchte.
Die äusseren Grenzen der Kanalströmungen sind ebensowenig stationär,
wie die Begegnungslinie bei Dover. Sie verschieben sich mit dem Fallen und
Steigen des Wassers bei Dover, und zwar so, dass sie allmählich im Kanal
von Westen nach Osten, in der Nordsee von Norden nach Süden vorrücken
und bei Hochwasser und Niedrigwasser (bei Dover) ihren Ort plötzlich um
weit mehr als 60 Sm nach Westen (beziehungsweise nach Norden) verschieben
und ihr östliches Vorrücken bis zum nächsten Maximum oder Minimum der Fluth
wieder aufnehmen, „Und“, fügt Beechey hinzu, „obgleich so weit von einander
getrennt, haben sie die merkwürdige Eigenthümlichkeit, zu derselben Zeit sich
zu verschieben.“
An den beiden äusseren Grenzen des Gebiets gleichzeitigen Stromwechsels,
nämlich auf den Linien Start point—Casquets und Cromer—Texel, tritt eine
neue Eigenthümlichkeit auf, nämlich eine rotatorische Strömung, die sich darin
zeigt, dass der Strom zu keiner Zeit aufhört, also kein Stillwasser stattfindet,
dass vielmehr der Strom mit nahezu derselben Stärke allmählich aus allen
Kompasstrichen kommt. Dabei gilt die Regel: „dass die Drehung an der eng-
lischen Kanalküste im Sinne eines Uhrzeigers, an der französischen Kanal- und
der englischen Nordseeküste umgekehrt wie ein Uhrzeiger erfolgt“. Die hollän-
dische Nordseeküste bildet hierin, wie in manchen andern Beziehungen, eine
Ausnahme. Dies kann so gefasst werden: Die Veränderung der Richtung des
Stroms geschieht im Sinne eines Uhrzeigers an der linken, gegen den Uhrzeiger