Spangenberg, W.: Über einige Ergebnisse von Schätzungen der Himmelsfarbe usw. 355
II. Allgemeiner Überblick.
Das Interesse an dem Problem der Bestimmung der blauen Farbe des
heiteren Himmels und die Verfolgung ihrer zeitlichen und örtlichen Änderung
ist in jüngster Zeit ganz erheblich gestiegen, wie es sich auch aus der Anzahl
der einschlägigen Veröffentlichungen zeigt. Die Himmelsblauschätzung ist wohl
eine der beliebtesten und einfachsten Arbeits- und Beobachtungsmethoden der
medizinisch ausgerichteten Klimatologie; es gehört die Überwachung der Himmels-
farbe z. B. nach V. Conrad mit zu den wichtigsten strahlungsklimatischen Beob-
achtungen (so). Aber auch die rein physikalische Meteorologie und die atmo-
sphärische Optik sind weitgehendst an der Ausführung solcher Beobachtungen und
an der Weiterentwicklung der einschlägigen Beobachtungsverfahren interessiert.
Chr. Jensen stellte die Himmelsblauschätzung sowohl nach dem Gedächtnis als
auch nach der Linkeschen Skala [als den beiden gröbsten Methoden!] mit unter
die Reihe der Hauptcharakteristika des atmosphärischen Reinheitsgrades (20) (42).
Über die Beobachtung mit einer Gedächtnisskala und die damit verbundenen
Schwierigkeiten hat der Verfasser bereits ausführlicher berichtet (45),
Die Blaufärbung des Himmels ist auf das engste mit dem Reinheitsgrad
der Atmosphäre verknüpft; ja man kann unter gewissen Bedingungen aus ihrer
Veränderung ceteris paribus auch auf bestimmte Änderungen der atmosphärischen
Lichtdurchlässigkeit Rückschlüsse gewinnen. W, Kühl umriß den Sinn solcher Beob-
achtungen dahingehend, zu erforschen, ein wie großer Teil des Himmelslichtes von
dem nach der Rayleighschen Theorie zerstreuten Sonnenlicht einerseits und von
dem an gröberen Partikeln weiß zerstreuten Trübungslicht anderseits herrührt (17).
Die Bestimmung der Himmelsfarbe hat immer schon den Naturwissenschaftler
interessiert, und es erscheint auch nicht sonderlich überraschend, daß solche
Beobachtungen mit ähnlichen Methoden wie die Linkesche Skala schon bis ins
18. Jahrhundert zurückreichen, Die ersten exakteren und umfangreicheren Beob-
achtungsreihen stammen von H, B. de Saussure und sind mit dem von ihm
angegebenen 53teiligen Zyanometer erhalten (47) (48) ®%. Mit einem ähnlichen
Instrument hat auch A. von Humboldt auf dem Atlantischen Ozean beobachtet.
Aus beider Untersuchungen ergibt sich z. B. schon die Abhängigkeit der Himmels-
farbe von der Meereshöhe, von der Lage des Beobachtungsortes zum Meere und
vom Cosinus der Zenitdistanz. Die in der Folgezeit vorgenommenen Bestim-
mungen der Himmelsfarbe beruhten aber im wesentlichen auf anderen Methoden,
wobei besonders das Prinzip des Farbenkreisels [Rotationszyanometer], die
chromatische Polarisation, das Spektralphotometer, lichtelektrische Zellen usw.
eine große Rolle gespielt haben. Im Jahre 1922 stellte nun F, Linke zusammen
mit W. Ostwald die heute so weit verbreitete Himmelsblauskala her (1) (4), die
noch immer trotz zahlreicher Mängel und Einschränkungen ein außerordentlich
wichtiges Hilfsmittel für atmosphärisch-optische Beobachtungen darstellt. Die
damit erzielten Resultate sind verhältnismäßig gut brauchbar, sofern man nur
die nötige Vorsicht bei der Beobachtung und bei der Auswertung der Ergebnisse
walten 1äßt; man sollte sich dabei immer wieder vor Augen halten, daß diese
Methode nur eine relativ rohe ist und sein will, die aber zu einer allgemeinen
Orientierung durchaus geeignet ist (49). Es spielen dabei einige physikalische (87)
und physiologische Momente (44) (45) eine ganz besondere Rolle, deren Kenntnis
unbedingt erwünscht ist; es wird hier aber nur teilweise darauf eingegangen.
Von einer Darstellung der Grundlagen der Farbentheorie muß hier ebenfalls
Abstand genommen werden, um den Rahmen der Arbeit innezuhalten. Es sei
daher auf einschlägige Literatur verwiesen ID (I Av) (V) (YD,
OD F. Busch und Chr. Jensen: Tatsachen und Theorien der atmosphärischen Polarisation.
Aus d. Jahrbuch d. Hamb. Wiss. Anstalten, XX VIII, 1910 (5. Beiheft: Mitt. aus d. Phys. Staatslabor.).
a) W. Ostwald: Die Farblehre (Leipzig 1918).
4 HA. v. Helmholtz: Handbuch der physiologischen Optik (1909—1911}. ;
av) E, Haschek und M, Haitinger: Farbmessungen (Monographien aus dem C(lesamtgebiet
der Mikrochemie 1936),
& en Wi, Kühnert: Farbmessungen als meteorol. Beobachtungen, Gerl. Beitr. z. Geophys., 48,
(YX) K, Kalle: Zum Problem der Meerwasserfarbe. Ann. d, Hydr., 66, 1 (1938).