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Full text: 71, 1943

Heybrock, W.: Neue Untersuchungen über die Temperatur von Gletscherflüssen, 307 
bedeutend niedrigere Luftwärme lassen darauf schließen, daß auch die ober- 
fächlichen Schmelzvorgänge und -wässer hier nur recht geringfügig gewesen 
sein können. Daß solche ohnehin für die Wärme des Austrittsflusses nicht von 
Belang sind, zeigte bereits das Beispiel am Hochjochferner. Die gegen dieses 
um 87 m größere Meereshöhe, hier 2622 m, kann in unserem Fall als Kriterium 
wohl gleichfalls vernachlässigt werden, Beachtenswert ist, daß auch hier die 
Luftbewegung dem Gefälle der Gletscherachse gleichgerichtet war. 
Hintereisferner. Als dritte und Hauptkomponente im großen Einzugsgebiet 
der Rofen Ache zählt der Hintereisferner mit rund 8.5 km Länge zu den idealen 
alpinen Talgletschern überhaupt. Kulminationspunkt ist die Weißkugel (3746 m), 
der zweithöchste Gipfel der gesamten Ötztaler Gruppe. Sein Ende liegt heute 
bei etwa 2320 m, also 302 m tiefer als das des Kesselwandferners; sein Körper 
ist indessen wesentlich schmaler als der der vorerwähnten Eisströme. Es ergab 
sich vormittags bei geringer Bewölkung am Gletscherende, das sich in einem 
6 m breiten und 2 m hohen Tor öffnete, eine Wassertemperatur von 1.3°. Der 
Wind entsprach wiederum dem Gefälle der Gletscherachse. Als Ursache der an 
sich zwar gering, aber deutlich erhöhten Wasserwärme trotz größerer Gletscher- 
länge und früherer Tageszeit müssen zunächst die zahlreichen Schmelzwässer 
gelten, die von seitlichen Hängegletschern stammen und sich vor Vereinigung 
mit dem Hauptfluß im Felsgelände erwärmen. Oberflächliche Schmelzwasser- 
tätigkeit kommt für den Effekt jedoch weniger in Betracht, da sie, wie ein Be- 
gehen des H in seiner gesamten Länge am Vortage zeigte, zu dieser Zeit noch 
sehr schwach sein muß. Ob die geringere Meereshöhe eine fühlbare Rolle spielt, 
wird kaum mit Sicherheit gesagt werden können, 
Das entscheidende Moment dürfte aber vom Abfluß des Kesselwandferners 
ausgehen, der sich auf seinem heute mehrere hundert Meter langen Lauf über 
die der Insolation stark ausgesetzten Felshänge (SE-Exposition), z. T. auch in- 
folge Kaskadenbildung in innigerer Berührung mit der Luftwärme nicht un- 
wesentlich erwärmt haben und offenbar noch, zumindest teilweise, dem Fluß des 
H kurz vor dem Gletscherende subglazial tributär wird. Eine Bestätigung dafür, 
daß eine offene Vereinigung dieser beiden Flüsse erst unterhalb des Endes des 
H erfolgt, wie die Karte sie fordert, konnte nicht erhalten werden. Freilich ist 
die gesamte Region hier als ausgesprochenes Kampfgebiet zwischen Wasser, Eis, 
Lawinen und Verwitterung einerseits und Fels, Geröll, Gesteinstrümmern und 
Moränen andererseits außerordentlich starken und unausgesetzten Veränderungen 
unterworfen, so daß auch die besten Karten nur einen Augenblickszustand wieder- 
geben können, Die gefundene Wassertemperatur verdeutlicht aber, daß der sub- 
glaziale Hauptfluß eines Gletschers im Grunde doch nur unwesentlich von 
anderen sekundären Zuflüssen und Faktoren thermisch beeinflußt werden kann, 
Auch Gletschergröße und -länge, Eisdruck sowie Erdwärme sind offenbar Faktoren, 
die auf die Thermik eines Gletscherflusses nur wenig einwirken. 
Zur Prüfung der Erwärmung von Gletscherschmelzwasser durch Insolation, 
Luftwärme und Boden bei geringer Wasserführung, geringer Fließgeschwindig- 
keit und nur unbedeutender subglazialer Laufstrecke wurde die Temperatur eines 
diesen Voraussetzungen entsprechenden Gewässers gemessen, das nur wenige 
Meter vom Hauptfluß entfernt von einer isoliert vorgeschobenen schmalen Teil- 
zunge des Gletschers austrat, Es fand sich ein Wert von 3.6°, der deutlich 
zeigt, daß unter den geschilderten Bedingungen eine verhältnismäßig rasche 
Erwärmung des Wassers eintreten kann, 
Großer Vernagtferner. Zu einer sprechenden Parallele in umgekehrtem Sinne 
zu diesem Problem führte die Beobachtung des Vernagtbaches, des Abflusses des 
von einem ausgedehnten zirkusförmigen Firngebiet gespeisten Großen Vernagt- 
ferners, Die Kulmination liegt hier, sofern der Kleine Vernagtferner noch als 
Komponente gerechnet werden kann, was nicht sicher ist, im Hinteren Broch- 
kogel (3531 m). Kurz oberhalb der Mündung des Vernagtbaches in die Rofen 
Ache, nach einem freien Lauf von mindestens 2.6 km vom Gletscherende ab, 
fand sich die Wärme des in großem Gefälle heftig bewegten, starken Baches zu 
3.3°%°. Sie hatte also trotz einer beträchtlichen ungeschützten Weglänge des
	        
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