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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, August 1943,
Gewisse geringfügige Unterschiede in der Farbenauffassung können auch
dadurch zustande kommen, daß das Zentrum der Netzhaut verschieden stark
gelb gefärbt ist (Macula lutea). Dieser gelbe Farbstoff absorbiert die kurz-
welligen Strahlen stärker als die langwelligen (selektive Absorption), so daß
dadurch anomale trichromatische Verhältnisse bis zu einem gewissen Grade
vorgetäuscht werden können,
Durch überaus starke Einwirkung von greilem Licht oder von Farben kann
übrigens die normale Netzhaut vorübergehend so beeinflußt werden, daß eine
sichere Farbenunterscheidung nicht mehr möglich ist. Es liegt also eine Art
künstlicher Farbenblindheit vor, die nach geraumer Zeit wieder abklingt!), Eine
mehrere Stunden anhaltende Violettblindheit kann man übrigens auch durch die
Verabfolgung von 0.6 g santoninsauren Natrons erzielen, was aber wegen unan-
genehmer Begleiterscheinungen nicht besonders zu empfehlen ist,
2. Optisch-physiologische Fehler bei der Farbschätzung,
Die Sicherheit der Schätzung der Himmelsfarbe nach einer Gedächtnisskala
wird durch verschiedene äußere Begleitumstände bestimmt. Es erscheint dabei
zunächst ganz besonders die Tatsache von einiger Bedeutung zu sein, ob das
scheinbare Gesichtsfeld bei der Schätzung frei von ablenkenden und somit
störenden Lichteindrücken ist. Das Maß des Gesichtsfeldes gibt uns einen Anhalt
für die Größe desjenigen Bezirkes der Außenwelt, der bei fixierter Blickrichtung
auf dem Augenhintergrund zur Abbildung und Wahrnehmung gelangt. Norma-
liter müßte unser Gesichtsfeld kreisrund sein, was aber nicht der Fall ist, weil
das Auge mehr oder minder tief in die Augenhöhle eingesenkt ist, so daß die
Nase und der Augenhöhlenrand größere Teile davon herausblenden.
Unter normalen physiologischen Umständen findet man mittels des sogenannten
„Perimeters“ ungefähr folgende Grenzen des Gesichtsfeldes, peripherwärts von
der Mitte aus gemessen:
1. zur Schläfe (temporaler Quadrant) = 90° | horizontaler Durchmesser:
2. zur Nase (nasaler Quadrant) = 60° } EZ = 150°,
3, nach oben = 60° } vertikaler Durchmesser:
4. nach unten = 70° } zZ = 130°,
Diese Werte gelten aber nur für weißes Licht. Bei monochromatischem Licht
ist das Gesichtsfeld dagegen wesentlich eingeengt, was daher kommt, daß die
Randpartien der Netzhaut relatiy farbenuntüchtig sind, F. Schieck!) schreibt,
daß das normale Gesichtsfeld für blaues Licht zwischen 50° und 70°, für rotes
Licht zwischen 40° und 50° und für grünes Licht sogar schon zwischen 30° und 40°
allseitig vom Zentrum der Netzhaut (bzw. des Gesichtsfeldes) aus endigt. Be-
stimmte pathologische Vorgänge können allerdings das scheinbare Gesichtsfeld
wesentlich einschränken, bis auf 20° und weniger,
Nun ist aber das Sehen in den peripheren Partien der Netzhaut so unsicher
und unbestimmt (wenn auch die Empfindlichkeit recht groß ist!) daß wir dort
befindliche Bilder nicht so sehr mit dem Bewußtsein erfassen und daher auch
weniger bewerten als Bilder in der Gegend des schärfsten Sehens. Man darf
deshalb wohl sagen, daß bei der Beobachtung der Himmelsfarbe nicht das ganze
scheinbare Gesichtsfeld frei von Wolken oder sonstigen, die visuelle Schätzung
störenden und gefährdenden Lichteindrücken zu sein braucht, sondern nur ein
bestimmter Teil um die Stelle des schärfsten Sehens herum, etwa 30° von dieser
Stelle aus zur Peripherie hin),
Die Anwesenheit von hellen Wolken z. B. kann nämlich unter Umständen
das Auftreten des Simultankontrastes begünstigen, der sich in unserem Falle
dahin auswirken müßte, daß eine Fläche, deren Farbe oder Helligkeit geschätzt
werden soll, um so farbengesättigter oder um 80 heller bzw. dunkler erscheint,
je andersfarbiger oder je dunkler bzw. heller die unmittelbare Umgebung ist.
3) Die optischen und physiologischen Verhältnisse sind hier durchweg nach dem Handbuch der
Physiologischen Optik von H. von Helmholtz [1909—1911] und dem Lehrbuch der Physiologie von
Landois-Rosemann, 21. Aufl. [1935], dargestellt worden. — 2) F, Schieck: Augenheilkunde
DO 1) Dieser Wert soll nur einen ungefähren Anhalt geben. Er ist natürlich für jeden Menschen
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