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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juli 1943.
Großkreisbogen und Großkreisbeschickung.
Von Prof, W. Immler, Berlin,
(Hierzu Tafel 19 mit Abb. 1.und 5 und Tabellentafeln 20 und 21.)
1. Großkreisbogen,
In der Navigation spielt die Frage der Wegfindung zwischen zwei Punkten
auf der Erdoberfläche, ob auf der Kursgleiche oder auf dem Großkreis, immer
eine hervorragende Rolle. Der ersten Möglichkeit wird der Vorzug gegeben, weil
die Wahl des Kurses einmalig und eindeutig vorgegeben ist; sie ist also eine
Angelegenheit der Bequemlichkeit, Die zweite gestattet, den kürzesten Weg zu
nehmen und hat daher ihre wirtschaftliche Bedeutung. Eine Einbuße erleidet
allerdings die loxodromische Wegfindung in der Praxis schon dadurch, daß bei
den Kursweisern, den Magnetkompassen, fortdauernd Berichtigungen, wie Miß-
weisung und Ablenkung, anzubringen sind, so daß dem Steuernden, der auf die
Kompaßweisung zu achten hat, das Bild der gleichmäBigen Kurshaltung wieder
verlorengeht. Die Vorstellung der geradlinigen Kursfortsetzung in der Karte
bleibt also höchstens dem Zeichner in der Karte erhalten. Bei der Großkreisweg-
führung stört im allgemeinen die fortdauernde Kontrolle der sich ändernden
Kursrichtung, so daß sich in der Praxis der Gebrauch herausgebildet hat, kleinere
Wegstrecken überhaupt loxodromisch durchzuhalten, größere Wegstrecken zwar
generell im GroBßkreisbogen festzulegen, dessen Teilstrecken jedoch in loxodro-
mischen Sehnen abzusegeln.
Eine Erleichterung für den Gebrauch des Großkreises wäre es schon, wenn
man wüßte, in welchen Zeiträumen eine stetige gleichmäßige Kursänderung, etwa
von 1°, vorzunehmen ist, Die Frage wäre noch einfach, wenn der Großkreis in
der Karte eine Linie gleichmäßiger Krümmung wäre, weil dann einer bestimmten
Richtungsänderung ein ganz bestimmtes Bogenstück des Großkreises entsprechen
würde. Nun aber ist der Krümmungsradius des Großkreises in der Merkatorkarte
in seinem Scheitel am kleinsten und allein von der Scheitelbreite abhängig, am
Aquator am größten und zwar unendlich, in Zwischenlagen aber sowohl von
der Breite als auch von der Kursrichtung abhängig, so daß die Bogenstücke,
welche zu einer Kursänderung von 1° gehören, am Scheitel am kleinsten sind
und allmählich bis zum Äquator zum Unendlichkeitswert anwachsen.
Diese Berechnung ist im folgenden durchgeführt und das wesentliche Er-
gebnis in der Zeichnung in Abb. 1 auf Tafel 19 niedergelegt. Dabei ergeben
sich folgende Beziehungen: .
Sei in Abb. 2 AS ein Großkreis vom Äquator bis zu seinem Scheitel, so ist
das Komplement der Scheitelbreite PS = a gleich der Anfangsrichtung des Groß-
kreises in seinem Äquatorschnittpunkt. In einem seiner Punkte B (9, A) ist « die
Richtung des Großkreises und BS = d seine Entfernung vom Scheitelpunkt, Dann
ergeben sich aus dem rechtwinkligen, sphärischen Dreieck BSP die Beziehungen
cos @ = Sin a CO8eC a (
8in Ä = secaC08a )
sin d = tg a COlg a = c0s 008 Ä. (3)
Damit sind für jeden Großkreis von der Anfangsrichtung a und der örtlichen
Richtung & die Koordinaten g und 1 eines seiner Punkte sowie dessen Entfer-
nung d vom Scheitel bestimmt, Das Diagramm enthält ausgezogen alle Großkreise
von ganzgradigen Übergangskursen a, also dien Scheitelbreiten 90° — a. Läßt
man nun & von Grad zu Grad wandern, so erhält man zwischen den berechneten
Punkten die Großkreisbogen als Differenz der ermittelten Scheiteldistanzen für
Kursänderung von je einem vollen Grad, Die durch die Gleichungen (1) und (2)
ermittelten Orte sind in Abb. 1 durch kräftige Punkte eingezeichnet, Auf dem
Großkreis von der Scheitelbreite 90° — a ergeben sich somit 90° — a Zwischen-
strecken, die an der Scheitelbreite kürzer sind. und dann gegen den Äquator zu
allmählich zunehmen, In dem Diagramm liegen ferner noch gestrichelt ein-
gezeichnet Linien gleicher „Zwischenstrecken für 1° Kursänderung“. Diese
Linien verlassen den Scheitelmeridian senkrecht und biegen dann allmählich
A