Priebsch, J.: Eine Bemerkung zur Dynamik turbulenter Strömungen usw. 171
Im Mittel wird nun, wie hervorgehoben, u’ == v’ sein, so daß das Verschwinden
der Seitenscherkraft das Verschwinden des seitlichen Geschwindigkeitsgradienten
ir zur Voraussetzung hat, also die von Rossby herausgestellte Wirkung aus-
bleibt. Der Sachverhalt ist kurz der folgende: Turbulenzelemente, die eine größere
Geschwindigkeit in der y-Richtung haben als die mittlere, werden durch die
Erddrehung nach rechts abgelenkt, übertragen diese größere Geschwindigkeit
nach der rechten Seite und verstärken dort die Strömung. Hierdurch wird die
von Rossby errechnete Hemmung des rechten Randes der Strömung gerade
wettgemacht.
Da sich, allgemein gesprochen, zueinander rechtwinklige Komponenten der
turbulenten Geschwindigkeiten in dieser Art hinsichtlich ihrer Wirkung auf das
seitliche Geschwindigkeitsgefälle der Strömung aufheben, kann von dem eingangs
erwähnten Effekt nicht die Rede sein. .
Berlin, Institut für Meereskunde, im Oktober 1942.
Das Kimmtiefenproblem.
Von 6. Prüfer, Deutsche Seewarte,
Es gibt Geophysiker, die behaupten, die Theorie habe immer recht. Es gibt
aber auch solche, welche die Theorie von vornherein anzweifeln und einen
mathematischen Extrakt nur aus den Beobachtungen ableiten. Im allgemeinen
ist es so, daß sich geophysikalische Vorgänge nur schwer und unvollkommen
theoretisch erfassen lassen, und man ist meistens gezwungen, eine von vornherein
mögliche Theorie durch die Daten der Beobachtungen zu modifizieren. Der Grund
liegt in der Kompliziertheit und in der Mannigfaltigkeit der Randbedingungen
der geophysikalischen Erscheinungen und deren mannigfachen Überlagerungen.
Daß aber ein geophysikalisches Problem, jahrzehntelang auf empirischem
Wege behandelt, dazu führte, die empirischen Lösungen als falsch, als alleinig
richtige hingegen die von der Theorie a priori gegebene zu erkennen, dürfte
ein seltener Fall sein, der, so betrachtet, nicht ohne Reiz ist.
Einen ‚solchen Weg ist das Problem der Kimmtiefe gewandelt. Unter der
Kimm versteht der Seemann das,. was man sonst auf See als den sichtbaren
Horizont bezeichnen würde. Und die Kimmtiefe ist die Neigung dieser Kimm
gegen die durch das Auge gehende Horizontalebene. Diese Neigung ist nicht
nur abhängig von der Höhe des Auges, sondern auch noch von der Strahlen-
brechung. Der Anteil der Strahlenbrechung ist nicht unerheblich. Sie ist mit-
unter so groß, daß die Kimm sogar oberhalb der Horizontalebene liegen kann.
Das von der Nautik gestellte und die Geophysik beschäftigende Problem
lautete: Kann man die Kimmtiefe aus irgendwelchen gegebenen Werten er-
rechnen und welche Werte sind hierzu notwendig? Als geometrischer und hier
nicht weiter interessierender Faktor geht die Augeshöhe ein, für den Anteil
der Refraktion ist der Dichtegradient in dem vom Lichtstrahl durchlaufenen
optischen Feld verantwortlich. Es ist unschwer zu zeigen, daß man für den
Gradienten der Dichte auch den der Temperatur einführen und den des Luft-
und Dampfdruckes vernachlässigen darf.
Damit scheint das Problem sehr einfach zu sein. Man braucht ja nur den
Temperaturgradienten des optischen Feldes zu kennen, um die Kimmtiefe leicht
zu bestimmen, Aber die Frage, wie man diesen Temperaturgradienten bestimmt,
die so harmlos erscheint, blieb mehrere Jahrzehnte lang ungelöst.
Es lag nahe, die Temperatur der Wasseroberfläche und die irgendeiner
Stelle der Luft, die zwischen der Augeshöhe und der Wasseroberfläche liegt, zu
messen und deren Differenz als repräsentativ für den Temperaturgradienten zu
betrachten, und es schien nur darauf anzukommen, diejenige Stelle der Luft-
temperatur zu finden, die relativ zur Wassertemperatur einen derartigen re-
präsentativen Wert ergibt. Aber gleicht man solche zusammengehörigen Be-
obachtungswerte aus (wozu Kimmtiefe, Augeshöhe und Temperaturdifferenz
KA