Model, Fr.: Grundsätzliches zur Berechnung des Mittelwassers der Ostsee, 163
Die Ablesung des Wasserstandes an einem Pegel erfolgt von einem: willkür-
lich gewählten Nullpunkt aus, Um die verschiedenen Ablesungen miteinander
vergleichen zu können, ist es Selbstverständlich notwendig, daß die Höhenlage
des Nullpunktes auch dann noch erhalten bleibt, wenn das Gerät beschädigt
wird und erneuert werden muß. Die Aufgabe wird gegenwärtig dadurch gelöst,
daß an Land drei feste, voneinander unabhängige Marken geschaffen werden
(Pegelfestpunkte), deren Höhenunterschied gegenüber dem Pegelnullpunkt nivel-
listisch bestimmt und laufend überprüft wird. Zur Berechnung der Küsten-
hebung ist Millimetergenauigkeit erforderlich!
Von derartigen Pegelbeobachtungen ausgehend, sind laufend bis zur Gegen-
wart Untersuchungen erschienen, in denen die Küstenhebung berechnet wurde,
Das Ergebnis solcher Veröffentlichungen läßt sich an dieser Stelle schon zu-
sammenfassen: Der Betrag der vertikalen Küstenbewegung ist gering gegenüber
den ozeanographisch und meteorologisch verursachten Wasserstandsschwankungen.
Diese Wasserstandsschwankungen sind von Jahr zu Jahr und von Ort zu Ort
sehr verschieden. Alle Verfasser, die diese Tatsache nicht zum Kernpunkt ihrer
Untersuchungen erhoben, erhielten infolgedessen Zahlenwerte, in denen sich in
erster Linie das Rechenverfahren und erst in zweiter Linie die realen Verhält-
nisse widerspiegeln.
Bei der Berechnung des Mittelwassers der Ostsee, dem Ziel der Untersuchung
— hier auf Grundsätzliches beschränkt!) —, sind deshalb die meteorologischen
und ozeanographischen Gesichtspunkte bestimmend gewesen. Die Bearbeitung
erstreckt sich auf eine ganz bestimmte Zeitspanne, nämlich 1904 bis 1937?) und
erfaßt den gesamten ÖOstseeraum. Wie im einzelnen verfahren wurde, wird später
im Zusammenhang mit den Ergebnissen besprochen werden,
Vom Ausgangsmaterial wird Station für Station der Betrag der Küsten-
hebung derart abgezogen, daß alle Wasserstände auf ein bestimmtes Jahr (1928)
reduziert sind. Das arithmetische Mittel dieser Werte gibt für jeden einzelnen
Beobachtungsort das Mittelwasser, bezogen auf das Jahr 1928, Mit Hilfe der
Karte der Küstenhebung kann daraus auf das Mittelwasser anderer Jahre, z. B.
das von 1950, extrapoliert werden. >
Die Tiefenangaben der Seekarten, die vom Mittelwasser aus rechnen, müssen
dann ebenfalls auf ein Stichjahr bezogen werden, ebenso wie die Lotungen der
Peilboote und Vermessungsschiffe auf dieses Stichjahr reduziert werden müssen.
Jedem Pegelwärter wird die Lage des Mittelwassers an seinem Pegel mitgeteilt,
und zwar bezogen auf seinen Lattenpegel und auf die Pegelfestpunkte, Zugleich
werden diese Werte in die Pegelbücher übernommen, so daß die Peilboote usw.
ihre Lotungen vom augenblicklichen Wasserstand auf das vereinbarte Mittel-
wasser beschicken können, Damit ist das Mittelwasser der Ostsee für die nau-
tische Praxis gegeben,
Für meereskundliche Untersuchungen sind mit diesen Mittelwasserangaben
ebenfalls die Bezugspunkte errechnet. Unsere Mittelwasserfläche entspricht der
finnischen „Referenzfläche“. Die wissenschaftliche Begründung der Referenz-
fläche kann wortwörtlich auf unsere Mittelwasserfläche übertragen werden, so
daß diese nun nicht nur das finnische, sondern das gesamte Ostseepegelnetz
umfaßt. Neue Stationen können durch einfache Interpolation sofort an die
Mittelwasserfläche angeschlossen werden, wie am Beispiel des Pegelnetzes der
Kriegsmarine gezeigt werden wird,
Nun ist „das Mittelwasser“ aber auch ein. geophysikalisches Problem: es gilt,
die Neigung des Meeresspiegels auf die Geoidfläche zu beziehen. In älteren
und neueren Untersuchungen, z. B. von Witting, Dietrich und Defant ist
gezeigt worden, wie stark die physikalische Meeresoberfläche von der Niveau-
Fläche abweichen kann. Strömungen und Dichteaufbau des Meeres sowie Druck
und Windstau der Atmosphäre verursachen ihre Schiefstellung, Mit Hilfe
geodätischer Nivellements aller Art kann die Abweichung der Ostseeoberfläche
1) In dieser Zeitschrift wird das Ergebnis der Rechnung, die im Sinne vorliegender grundsätz-
licher Überlegungen durchgeführt wurde, später veröffentlicht werden. — 2) Seit 1904 liegen hin-
reichend viel Beobachtungen vor; bei Beginn der Rechoung waren die Wasserstände bis 1937 aufbereitet