Linke, F.; Der „Strahlungskoeffizient der Luft“, die Geschichte eines Problems. 151
diese Werte dann noch für einige andere meteorologische Stationen und kommt
dann zu dem Urteil, das offenbar weitere Autoren veranlaßt hat, sich mit dem
Problem zu beschäftigen: „log & ist zu jeder Zeit und für jeden Ort der
Erde dieselbe Größe“ Wie weit das begründet ist, sieht man aus vorstehender
Tabelle, in der die Abhängigkeit von dem Bewölkungsgrad für log &b wieder-
gegeben wird. Nur für die Abhängigkeit des Wertes ( von der Bewölkung sollen
hier noch einige Zahlenwerte genannt werden:
Weilenmann findet bei hoher Bewölkung im Winter 0.8, im Sommer den
Wert 2.0, bei wolkenlosem Wetter hingegen im Winter 2.1 und im Sommer 6.4.
Und zwar ist dieser Wert € zweifellos eine Temperaturdifferenz, was auch
Weilenmann erkannt hat, der zur späteren Bestätigung seiner oben genannten
Grundformel folgende Ausgangsformel hinschreibt:
e- —h(8—#') und ns = A),
in denen 3‘ die Temperatur des Erdbodens und 4 die Temperatur der Luft in
der Thermometerhütte wiedergibt. Bedenklich ist in diesen beiden Formeln
nur, daß der Proportionalitätsfaktor A, der dann als „Strahlungskoeffizient“ an-
gesprochen wird, für beide Vorgänge, die Ausstrahlung der Luft gegen die Erde
und die Ausstrahlung der Erde gegen die freie Atmosphäre, mit dem gleichen
Wert eingesetzt wird. Aus diesen beiden Ausgangsformeln fällt die Erdboden-
temperatur }' wieder heraus, weil Weilenmann sich davon überzeugt, daß die
Abnahme der Lufttemperatur und der Bodentemperatur mit gleicher Geschwin-
digkeit erfolgt. Mit erschütternd viel Mathematik wird der Nachweis versucht,
daß zu % der Faktor 0.382 treten muß. Es bleibt dann bei der Grundformel
d=- HC
in der eben die Größe db als Naturkonstante angesprochen wird.
Weilenmann ist übrigens der Ansicht, daß sich nicht die Luft, sondern der
Erdboden durch Ausstrahlung abkühlt, und daß sich die Luft erst infolge des
benachbarten kalten Erdbodens abkühlt, läßt es aber unklar, ob er diesen Ab-
kühlungsprozeß als einen Leitungsvorgang oder lediglich Strahlungsvorgang
betrachtet.
2. Mehr als 10 Jahre nach Weilenmann, nämlich im Jahre 1885, hat sich
sein Landsmann und Institutskollege Julius Maurer wieder mit diesem Problem
befaßt, dessen Behandlung er jetzt physikalisch zu verbessern sucht.
Zunächst weist Maurer — wahrscheinlich zum ersten Male in der Meteorologie
— nach, daß ein reiner molekularer Leitungsvorgang für die Abkühlung der Luft
in 2 m Höhe nicht zur Erklärung ausreicht, Leider kannte man damals noch
nicht den Begriff der „Außeren“ Leitfähigkeit oder, wie Wilhelm Schmidt es
später nannte, den Austauschvorgang infolge Luftunruhe. Maurer stellt sich
daher den Abkühlungsvorgang der Luft als reinen Strahlungsvorgang vor, be-
irachtet also A als einen „Strahlungskoeffizienten der atmosphärischen Luft“ oder
genauer gesagt, den Strahlungskoeffizienten der Volumeinheit der atmosphärischen
Luft. Infolgedessen formuliert er die Ausgangsformel wie folgt:
®
—
gedd=—80—8,) dt oder # =D, + (da —0)a 89
Hierin ist &, die Lufttemperatur bei Sonnenuntergang, © die Dichte der Luft
und € ihre spezifische Wärme. Der Exponent in der e-Funktion bekommt also
hier den Wert A = we:
Für den Exponenten k findet auch Maurer den Wert 0.15, wodurch sich
bei 9 = 0.00129 und e= 0.24 der Wert s = 0.000465 ergibt, der von Maurer als
„Strahlungskoeffizient für die Volumeinheit und für die Stunde“ angesprochen wird,
3. Jetzt vergehen nur 7 Jahre, bis wieder ein namhafter Meteorologe,
Wilhelm Trabert, auf dieses Problem zurückkommt, als er den täglichen Gang
der Temperatur auf dem Sonnblickgipfel bearbeitet, Trabert stellt sich die
Frage: Bezieht sich der Strahlungskoeffizient auf die Masseneinheit oder auf
die Yolumeinheit? Bisher hat man in der Physik die Strahlung immer auf