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Full text: 71, 1943

Horn, W.: Die Verfahren zur Vorausberechnung der Gezeiten. 
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Die Vorausberechnung der Gezeiten nach dem harmonischen Verfahren ge- 
schieht heute nur noch mittels besonderer Gezeitenrechenmaschinen, deren 
Grundgedanke ebenfalls von Thomson stammt. Größere Maschinen dieser Art 
besitzen außerhalb Deutschlands in Europa nur noch England und Portugal, 
ferner die Institute in Washington, Tokio usw. Die kleinen langperiodischen 
Schwankungen der Amplituden und die kleinen Unbeständigkeiten der Winkel- 
geschwindigkeiten der einzelnen Tiden werden bei den Vorausberechnungen so 
berücksichtigt, wie sie in der Entwicklung des Potentials auftreten; ihr tatsäch- 
licher Verlauf ist bisher nur für sehr wenige Orte an Hand langjähriger Beob- 
achtungen untersucht worden. 
Börgen hat beim Marineobservatorium Wilhelmshaven, das die amtlichen 
deutschen „Gezeitentafeln“ seit Beginn ihres Erscheinens bearbeitet und später 
auch Herausgeber geworden ist, ab 1890 das harmonische Verfahren zur Be- 
rechnung der Gezeiten von Wilhelmshaven angewandt, ist jedoch bereits 1896 
wegen der sehr unbefriedigenden Ergebnisse zum Lubbockschen Verfahren zu- 
rückgekehrt. Ähnliche Erfahrungen wurden während des Weltkrieges in England 
bei vielen Fluß- und Seichtwasserhäfen gemacht. Unter dem Zwang, die briti- 
schen Gezeitentafeln schnell zu verbessern, ist damals von Warburg ein neues 
Verfahren, die sog. „Equation Method“, entwickelt worden, das die britische 
Admiralität auch gegenwärtig noch für einen Teil der britischen Häfen benutzt, 
Nach diesem Verfahren werden die verschiedenen Ungleichheiten ähnlich wie 
bei Lubbock, jedoch unter der Voraussetzung verschiedener Symmetrieeigen- 
schaften, aus nur 14monatigen Hoch- und Niedrigwasserbeobachtungen abge- 
leitet, nachdem man den Einfluß des Windes aus diesen nach Augenschein aus- 
gemerzt hat. Das Verfahren soll zu einer merklichen Verbesserung der britischen 
Gezeitentafeln geführt haben; dem ausführlichen Lubbockschen Verfahren ist es 
jedoch, jedenfalls bei den deutschen Häfen und auch theoretisch, nich, gleichwertig. 
Umfangreiche Untersuchungen mit dem Ziel, das harmonische Verfahren zu 
vervollkommnen und auch bei ausgeprägten Seichtwassergezeiten anwendbar 
zu machen, sind nach dem Weltkriege in England (Doodson, Proudman) 
und in Deutschland (Rauschelbach) angestellt worden, Doodson hat u. a, 
eine neue Entwicklung des Potentials der Gezeitenkräfte bis zu rund 400 streng 
periodischen Tiden, Rauschelbach im Anschluß daran eine sehr ausführliche 
Ableitung von Ober- und Verbundtiden, allerdings noch immer unter verein- 
fachenden . Annahmen und unter Vernachlässigung der Reibung, vorgenommen, 
Das Tidal Institute in Liverpool berücksichtigt z. Zt. bei den Vorausberech- 
nungen etwa 40 (nicht streng periodische) Tiden und scheint sich von einer 
weiteren Erhöhung ihrer Zahl nichts mehr .zu versprechen, trägt vielmehr 
dem Einfluß der Seichtwasser- und Reibungserscheinungen durch nachträglich 
angebrachte erfahrungsmäßige, nonharmonisch oder auch wiederum harmonisch 
gebildete Verbesserungen der Hoch- und Niedrigwasserzeiten und -höhen Rech- 
nung. Dieses Vorgehen verdient zweifellos Beachtung, doch ist bei ihm auf 
den eigentlichen Vorzug des harmonischen Verfahrens, die Darstellung der voll- 
ständigen Gezeitenkurve, wiederum verzichtet, obwohl diese gerade in Seicht- 
wassergebieten von besonderer Wichtigkeit wäre. In Deutschland sind beacht- 
liche, wenn auch noch nicht voll befriedigende Erfolge durch eine Erhöhung 
der Tidenzahl auf etwa 60 erzielt worden. Als unerläßliche Bedingung für den 
weiteren Fortschritt hat es sich erwiesen, die harmonischen Konstanten streng 
nach der Methode der kleinsten Quadrate zu bestimmen, da die oben erwähnten 
Näherungsverfahren z. B., sofern sie Iterationen enthalten, nicht einmal für alle 
Tiden konvergieren, Die Bildung der rund 120 Normalgleichungen auf Grund 
möglichst halbstündlicher, wenn nicht gar teilweise viertelstündlicher Beobach- 
tungen eines Jahres und die Auflösung solcher Gleichungssysteme stellen aller- 
dings eine Arbeit von bisher ungewöhnlichem Umfang dar. Sie kann jedoch durch 
die Anwendung neuzeitlicher technischer Hilfsmittel bewältigt werden, wie z. B. 
von Dr. Rauschelbach an anderer Stelle dieses Heftes in seiner Arbeit über 
die Auflösung von Systemen linearer Gleichungen mittels des Lochkarten- 
verfahrens gezeigt wird, Erst nach Einführung dieser strengen Arbeitsverfahren
	        
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