Neumann, G.; Über den Aufbau u. die Frage der Tiefenzirkulation des Schwarzen Meeres, 7
Die obere Grenze des H,S-Gebietes stellt nicht nur in physikalisch-chemischer
Hinsicht eine wichtige Trennungsfläche zweier verschieden aufgebauter Wasser-
körper dar, sondern spielt bekanntlich auch im hydrobiologischen Aufbau eine
entscheidende Rolle, da durch sie auch angenähert die untere Grenze des Lebens
(Plankton) gegeben ist. Über die untere Grenze des Planktons im Schwarzen
Meer hat W. N. Nikitin (21) in deutscher Sprache eine sehr ausführliche Ab-
handlung veröffentlicht, der wir jedoch nicht in jeder Hinsicht folgen können,
Aus sämtlichen vorliegenden Beobachtungen über die Planktonverteilung‘?)
im Schwarzen Meer wurde die in Abb. 3 dargestellte Untergrenze des Planktons
ermittelt, Diese Grenze verläuft nahezu parallel zur 0.5 cm*/l H,S-Schicht, liegt
aber allgemein höher als die letztere. Der Unterschied in.der Tiefenlage zwischen
beiden Grenzflächen beträgt im Durchschnitt etwa 50 m, das ist ungefähr der
Tiefenunterschied zwischen der Schicht mit einem Schwefelwasserstoöffgehalt von
0.5 cm*/l und der Wasserschicht, in der die letzten Spuren des Gases anzutreffen
sind. Nur in einigen küstennahen Gebieten scheint der Unterschied größer zu
sein, z. B, an der kaukasischen Küste, wo die Planktongrenze nicht im gleichen
Maße absinkt wie die Schicht mit einem H,S-Gehalt von 0.5 em°/l.
Wie die Obergrenze des Schwefelwasserstoffs, so liegt auch die Untergrenze
des Planktons im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres relativ hoch. Diese
hohe Lage der Planktongrenze (wie auch der anderen Grenzschichten und
Isoflächen) glaubt Nikitin (24) dadurch erklären zu können, daß durch die
große Süßwasserzufuhr von Land der vertikale Dichtegradient erheblich ver-
stärkt und eine tiefer reichende Durchmischung des Wassers verhindert wird.
Auf diese Weise würde der O,-Transport in die Tiefe herabgesetzt werden, was
eine höhere Lage der H,S-Schicht und damit auch der Untergrenze des Plank-
tons zur Folge hätte, Ähnlich wird auch die hohe Lage der Planktongrenze im
südöstlichen Teil des Schwarzen Meeres bei Batum erklärt. Hier macht sich die
Süßwasserzufuhr des Flusses Tschoroch geltend, dessen Gewässer nach ihrem
Ausgange ins Meer in nördlicher Richtung, nach der kaukasischen Küste, ab-
strömen. W. N. Nikitin und E, F. Skworzow (24) (27) halten den Zu- und Ab-
fluß der Gewässer überhaupt für die bedeutendsten Faktoren, die die Verteilung
der Isoflächen im Schwarzen Meer bestimmen, und halten die „mögliche Ein-
wirkung mutmaßlicher Strömungen“ für weniger wirkungsvoll, Nach ihrer
Meinung kann aber keine (!) der angegebenen Ursachen das beobachtete Sinken
der Isoflächen in Tiefen von 500 m bis 1000 m erklären, da sie annehmen, daß
die Wirkung der besprochenen Faktoren kaum eine so große Schicht erfassen
kann. Dieser Ansicht können wir uns nicht anschließen, Wir werden später
sehen, daß die vertikale und horizontale Verteilung sämtlicher Faktoren mit den
stationären Wasserbewegungen in engstem Zusammenhang steht. Die Neigung
der Grenzflächen und Isolinien ist eine notwendige Folge des stabilen Gleich-
gewichts der Wassermassen, .
In der horizontalen Verteilung der unteren Planktongrenze kommen wir
im östlichen Becken zu einer von W. N. Nikitin abweichenden Darstellung. In
völliger Übereinstimmung mit der Tiefenlage der oberen Grenze des Schwefel-
wasserstoffgebietes (Abb, 2) und entsprechend dem von uns (22) für die Ober-
fläche entworfenen Strömungsbild, zeigt auch die Untergrenze des Planktons im
zentralen östlichen Schwarzmeerbecken ein einziges zusammenhängendes Gebiet
mit hoher Lage der Grenzschicht. Nikitin nimmt dagegen zwei getrennte,
kuppelförmige Erhebungen mit dazwischenliegender Einsenkung auf der Linie
Sinope— Tuapse an und schließt daraus, daß im östlichen Becken des Schwarzen
Meeres nicht ein, sondern zwei „halistatische“ Gebiete?) vorhanden sind. Er
spricht von einem Strom, der etwa von Sinope nach Tuapse gerichtet ist und das
östliche Becken in einen nordwestlichen und einen südöstlichen Teil spaltet. Zu
diesem Strom müßte aber auch ein in umgekehrter Richtung setzender Gegen-
Strom gehören, denn sonst wären aus dynamischen Gründen nicht zwei kuppel-
1) Über die Fehlerquellen bei den Planktonfängen und die Bestimmung der unteren Plankton-
grenze s. Nikitin (24) und Knipowitsch (16). — ?) Mit „halistatischem“ Gebiet wird die Ansamm-
Jung salzreichen Wassers in der Mitte der zyklonalen Kreisströme bezeichnet.