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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, April/Juni 1943,
Später ergab sich (6b), daß sich diese Begriffe auch für die eindimensionale
Erhaltungsneigung in ihren verschiedenen Formen eignen. Damit war der
Rahmen gegeben, in den die statistischen Methoden der Geophysik eingeordnet
werden konnten.
6. Angesichts der großen Fülle der theoretisch möglichen Formen der Nach-
wirkung erscheint es zweckmäßig, die Systematik vorläufig nur so weit zu treiben,
wie sie für geophysikalische Anwendungen nötig ist, den weiteren Ausbau aber
den Theoretikern der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu überlassen. Eine neue
statistische Methode sollte nur dann in die Geophysik eingeführt werden, wenn
sie sich in mindestens einer sinnvollen Anwendung bewährt hat. Dabei bietet
die mathematische Eleganz eines statistischen Verfahrens keine Gewähr, daß es
sich in der Geophysik bewährt.
Zwei Beispiele: 1. Die Entwicklung von Häufigkeitsverteilungen nach dem
System von Orthogonalfunktionen, die aus dem Gaußschen Fehlergesetz und
seinen Differentialquotienten bestehen (Brunssche Reihe in der „Kollektivmaß-
lehre“, oder Charliers A-Reihe), ist in mathematischer Hinsicht sehr befriedigend;
wie gequält wirken aber alle Versuche, diese Entwicklungen auf geophysikalische
Häufigkeitsverteilungen anzuwenden, und wie gering ist die Einsicht in das
Wesen der Vorgänge, die bei solchen Rechnungen gewonnen wird! — 2, Bei
Diskussionen über das Periodogramm wurde mir von Mathematikern entgegen-
gehalten, das Problem sei längst gelöst durch Anwendung einer Fourierschen
Integraltransformation. Dabei liegen die Schwierigkeiten gar nicht auf rein
mathematischem Gebiet; im Gegenteil, das Problem für die Geophysik liegt
recht eigentlich darin, daß die Mathematik zuviel beweist, nämlich die Dar-
steilbarkeit jeder Zeitfunktion als Summe von Sinuswellen, so daß diese Zer-
legung im Einzelfall nichts über die geophysikalische Natur der Erscheinung
aussagt, Die Verfeinerung der mathematischen Seite der Fourier-Rreihe ein-
Schließlich der fastperiodischen Funktionen kann für die Geophysik nur sehr
beschränkt ausgewertet werden; hier ist der Fortschritt vor allem durch Selbst-
hilfe der Geophysiker erzielt worden, durch Hinzunahme statistischer Betrach-
tungen, Erst in den letzten Jahren sind von H. Cramer und anderen Mathe-
matikern (Wold, s) die mathematischen Grundprobleme in Angriff genommen.
7. Wie erwähnt, sind gute Anwendungen statistischer Verfahren in der Geo-
physik selten. Dagegen sind statistische Fehlschlüsse in der Geophysik geradezu
erschreckend häufig. Die Ausbildung der Studierenden der Geophysik wäre
schon dann erheblich gefördert, wenn sie in einer „Pathologie statistischer Schein-
beweise in der Geophysik“ auf die Gefahr schematischer Anwendung allgemeiner
statistischer Gesetze aufmerksam gemacht werden. An solchen Beispielen sollte
68 deshalb in der Vorlesung nicht fehlen. Und wenn bei der Kritik oft nichts
weiter herauskommt, als daß der auf Grund einer Arbeitshypothese vermutete
Effekt sich im Beobachtungsmaterial nicht nachweisen läßt — genauer gesagt,
daß der Effekt unterhalb einer durch die Endlichkeit der Beobachtungsreihe
gegebenen statistischen Schranke liegt —, 80 ist zwar nur leeres Stroh ge-
droschen worden, aber oft ist es schon wertvoll zu wissen, daß es leer ist,
Wenn man einige solche Beispiele in allen Einzelheiten durchgedacht hat, kann
man später oft durch einfache Streuungsabschätzungen entscheiden, ob sich
ausführlichere Rechnungen lohnen; mit anderen Worten, man bekommt das
statistische „Gefühl“, das für jeden Geophysiker von Wert ist,
8, Wenn es zunächst scheint, als ob die richtige Anwendung statistischer
Methoden gewissermaßen nur trügerische Seifenblasen zum Platzen bringt, so
sind doch auch recht bemerkenswerte positive Erfolge erzielt worden. Der
Nachweis der mondentägigen Luftdruckwelle in langjährigen Barometerablesungen
an außertropischen Stationen ist die schönste Anwendung des Fehlerfortpflanzungs-
gesetzes in der ganzen Statistik; dabei wird ein Effekt, der in den Hundertsteln
und Tausendsteln Millimeter Quecksilberdruck liegt, aus vielen Einzelablesungen
destilliert, von denen jede nur auf Zehntel-mm genau ist (6g). Denn 60jährige
Beobachtungsreihen enthalten rund h = 200 000 Tage. Die Streuung von Mittel-
werten liegt also 2 Dezimalen weiter als die Streuung der Ergebnisse an einzelnen