Originalbeiträge
Mitt Umweltchem Ökotox
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13. Jahrg. 2007/ Nr. 3
Anhang 1:
Probenahme von Dreikantmuscheln für die Umwelt
probenbank
Gerhard Wagner, Martina Bartel, Roland Klein, Mechthild
Neitzke, Kathrin Nentwich, Martin Paulus, Markus Quack
(Universität Trier, Institut für Biogeographie;
E-Mail: waqnerq@uni-trier.de)
Hintergrund
Die Umweltprobenbank des Bundes (UPB) stellt ein System
dar, um über einen längeren Zeitraum hinweg chemische
Veränderungen in marinen, limnischen und terrestrischen
Ökosystemen retrospektiv untersuchen zu können. Dabei ist
die Probenahme der erste und wichtigste Schritt zur
Sicherung der Proben- und Datenqualität. Die Probenahme
richtlinie muss die Repräsentativität und die langfristige
Reproduzierbarkeit sowie die Minimierung von Kontamination
und Verlust chemischer Informationen gewährleisten, um
valide Vergleiche über einen längeren Zeitraum hinweg zu
ermöglichen.
Ziel
Die Dreikantmuschel vertritt in der Umweltprobenbank die
Stufe der limnischen Konsumenten erster Ordnung und wird
eingesetzt zur langfristigen Beobachtung potentieller Schad
stoffe in langsam fließenden und stehenden Gewässern.
Folgende Gründe sprechen für ihre Eignung als Bioindikator:
• Dreissena polymorpha ist weit verbreitet in Europa mit
anhaltender Ausbreitungstendenz (Kinzelbach 1992).
• Sie besitzt eine weite ökologische Valenz, besiedelt oligo-
bis mesotrophe Gewässer, erträgt Brackwasser, kommt in
stehenden und langsam fließenden Gewässern vor und
übersteht kurzfristiges Trockenfallen.
• Die adulten Muscheln haben eine sedentäre Lebensweise.
• Die Dreikantmuschel tritt im Allgemeinen in hohen
Siedlungsdichten auf.
• Sie ernährt sich überwiegend von pflanzlichen und
tierischen Planktonorganismen sowie Detrituspartikeln im
Größenspektrum zwischen 1 und 40 pm, die sie aus dem
Wasser herausfiltriert. Dadurch steht sie mit allen im
Wasser gelösten und suspendierten Inhaltsstoffen in
engem Kontakt; die kontinuierliche Durchströmung der
Mantelhöhle mit Wasser sowie die große Kontaktfläche
der Kiemen und des Mantels begünstigen die direkte
Aufnahme von Schadstoffen aus dem Wasser.
• Sie ist leicht zu manipulieren, d.h. sowohl für aktives
Monitoring (Exposition mit Jungmuscheln besiedelter
Substrate) als auch für Toxizitäts- und Wirkungstests
geeignet.
• Sie dient einer Reihe zum Teil auch wirtschaftlich
genutzter Fischarten als Nahrung.
Methoden
Das Sammeln von Dreikantmuscheln von Hartsubstraten im
zu untersuchenden Gewässer ist selbst bei hohen Abun-
danzen oft aufwändig, störanfällig und im Ergebnis unsicher
(Wagner 1994). Zur Probengewinnung für die Umweltproben
bank werden daher in der Regel Plattenstapel verwendet, die
in einem Referenzgewässer von jungen Dreikantmuscheln
besiedelt und dann in den zu untersuchenden Gewässern
exponiert werden. Prinzipiell sind beide Probenahmestrate
gien anwendbar und je nach den Untersuchungszielen und
den örtlichen Bedingungen auszuwählen.
Die Besiedlungsplatten bestehen aus additivfreiem
Polyethylen und weisen eine Fläche von 30 x 30 cm auf.
Sieben dieser Platten werden zu einem Plattenstapel mit
Abständen von ca. 7 cm zwischen den einzelnen Platten
verschraubt. Die Edelstahlverschraubungen sind durch
Abstandshalter aus dem gleichen Material verdeckt. Zur
Vermeidung von Fraßverlusten durch Wasservögel und
Fische werden die Plattenstapel mit einem Netz mit ca. 10
mm Maschenweite umspannt.
Zur Besiedlung werden die gereinigten Plattenstapel zu
Beginn der Laichzeit in einem sauberen, gut überwachten
Gewässer mit stabiler Dreikantmuschelpopulation exponiert.
Für die Umweltprobenbank des Bundes geschieht dies an
Holzpfählen im Auslauf des Bodensees bei Konstanz in einer
Tiefe von 2 - 3 m.
Die Besiedlung durch die frei im Wasser triftenden Veliger-
Larven erfolgt im Frühjahr ab einer Wassertemperatur von ca.
16° C. Im Herbst werden die mit Jungmuscheln dicht
besiedelten Plattenstapel entnommen, zu dem zu unter
suchenden Gewässer transportiert und dort an geeigneten
Stellen befestigt und für ein Jahr exponiert. Die Muscheln
durchlaufen im zu untersuchenden Gewässer ihre Haupt
wachstumsphase und bilden damit auch dessen Lebens
bedingungen und Belastungsniveau ab. Bei der Auswahl der
Expositionsstellen ist daraufzu achten, dass die Platten nicht
im potentiell anaeroben Bereich hängen und keinen Kontakt
zum Gewässergrund, zu möglicherweise kontaminierten
Materialien oder Oberflächen haben. Die Expositionsstellen
sollen einen guten Wasseraustausch aufweisen, bei Fließ
gewässern aber nur geringe Strömung aufweisen.
Aus biologischen Gründen sollte das Probenmaterial aus
adulten Muscheln im zweiten Lebensjahr mit mindestens 12
bis 25 mm Schalenlänge bestehen. Dabei ist zu berücksich
tigen, dass das Wachstum der Dreikantmuscheln je nach
Gewässer unterschiedlich ist und daher Angaben zur
Längenstruktur der Zielpopulation stets gebietsbezogen fest
zulegen sind. Die für das jeweilige Gewässer diesem Ziel
entsprechende Längenklasse ist vor der Probenahme durch
eine Bestandsaufnahme zu ermitteln. Aus statistischen
Gründen soll die Stichprobengröße mindestens 100 Indivi
duen betragen.
Die Probenahme für die UPB erfolgt jährlich. Da die
Laichzeit durch starke physiologische Dynamik und
Schwankungen der Biomasse geprägt ist, ist sie für eine
reproduzierbare Probenahme nicht geeignet. Die Laichzeit
der Dreikantmuscheln dauert je nach Gewässer und
klimatischen Bedingungen etwa von Mai bis Ende August. Die
Probenahme wird daher von Mitte September bis Ende
November durchgeführt.