Die Küste, 72 (2007), 65-103
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vielmehr nach einem charakteristischen Parameter entwickelt und in den Gleichungen Terme
höherer Ordnung durch Größen niedriger Ordnung ausgedrückt. Terme ab einer bestimmten
Ordnung werden schließlich vernachlässigt. So entsteht ein geschlossenes System von Glei
chungen für Größen der unteren Ordnungen (z. B. Peregrine, 1972; Liu et ah, 2002). Ein
solches System sind auch die verschiedenen Arten von Boussinesq-Gleichungen (z.B. Bous-
SINESQ, 1871; VoiT, 1987; Madsen et ah, 1991; Madsen et ah, 1992), eine meist zweidimen
sionale Approximation zur Betrachtung langer Wellen unter Berücksichtigung von Disper
sion (h 2 /L 2 ± 0) und nichtlinearen Effekten (0,5 H/h P- 0, aber meistens h 2 /L 2 • 0,5 H/h ~ 0).
Numerische Modelle wie das Modellsystem des BSH (Dick et ah, 2001) basieren dage
gen auf den sogenannten primitiven Gleichungen. Primitiv deutet an, dass die Gleichungen
für die vollständigen Größen gelöst werden. Allerdings werden im Allgemeinen statistisch
gemittelte Gleichungen gelöst, in denen dann aus den nichtlinearen Termen der Gleichungen
resultierende Korrelationen durch gemittelte Größen ausgedrückt werden. Hinzu kommt in
numerischen Modellen noch die Parametrisierung von Prozessen, die in der Gitterauflösung
des betrachteten Modells nicht erfasst werden. (Dazu gehören in BSH-Modellen auch kurze
Windwellen und Dünung.)
Unterschiede ergeben sich in primitiven Gleichungen durch verschieden starke Ver
nachlässigung von Termen in der Gleichung für die vertikale Komponente des Impulses. In
nichthydrostatischen Modellen muss diese Gleichung in prognostischer Form gelöst werden;
zusätzlich wird eine Poisson-Gleichung für den Druck berücksichtigt (Marschall et ah,
1997a,b). Hydrostatische Formulierung und Boussinesq-Gleichungen unterscheiden sich
dagegen relativ wenig. Beide berechnen die vertikale Geschwindigkeit diagnostisch aus der
Gleichung für die Massenerhaltung und den Druck durch Integration der Gleichung für die
vertikale Komponente des Impulses zu (Bork et ah, 2007)
•n
Pbs = />„ + J P V
r
TI r ' T'l
Pb = P„ + Po J — J V v b dr~dr'+\ P V v $dr
r Ot r
Die Gleichung für p B enthält im Vergleich zum hydrostatischen Druck nur einen we
sentlichen zusätzlichen Term. Dieser ermöglicht allerdings Dispersion (Frequenzdispersion).
Für beide Arten von Modellen gelten die gleichen Gültigkeitsbeschränkungen wie für die
entsprechenden analytischen Betrachtungen.
3.3 Ausbreitung und Modifikation im Nahfeld
Der Einfluss der Advektion in der horizontalen Impulsgleichung und in den Oberflä
chenrandbedingungen ist ebenso wie der des turbulenten, horizontalen Impulsaustausches
gering. Trotzdem können beide die Form des sich dann im tiefen Ozean ausbreitenden Tsu
nami entscheidend modifizieren.
Die Simulation der Modifikation und Ausbreitung eines Tsunami im Nahfeld erfor
dert die Fösung der nichthydrostatischen Gleichungen für viskose Medien, um Disper
sion und anschließende Dissipation der kurzwelligen Signalanteile und die resultierende
Schwächung des führenden Signals zu reproduzieren. Bei dreidimensionalen Simula
tionen punktähnlicher Anfangsverteilung oder langsamen Bodenänderungen (Androsov