Die Küste, 72 (2007), 65-103
74
meinen Dispersion das führende Signal weiter schwächen. Zur Berücksichtigung dieser Pro
zesse fordert Rubino et al. (1998) nicht-hydrostatische Simulationen.
Im langwelligen dispersionsfreien Teil werden führende Wellen von nachfolgenden ein
geholt, und durch die Überlagerung entsteht ein höheres Signal. Zusätzlich werden die ein
zelnen Wellen an der Schelfkante verkürzt und ihre Energie auf kleinerem Raum konzentriert
(„shoaling“). Ein Teil der prinzipiell verfügbaren Energie wird jedoch am Kontinentalhang
zurück in den tiefen Ozean reflektiert.
Eine Abschätzung für einzelne lange Wellen erlaubt die lineare hydrostatische Theorie
(Masselink, 2005). Die Wellenhöhe ändert sich danach entsprechend H/H ti f = {h tie ^/h) 0 ’ 25 ;
also würde sie beim Übergang von 4000 m auf 1000 m um einen Faktor 1,41 zunehmen. Die
Vernachlässigung jeglicher Energiedissipation führt weiter dazu, dass auch die Periode der
Welle beim Übergang zu flacherem Wasser erhalten bleibt. Dann verkürzt sich die Wellen
länge entsprechend L/L tie ^= (h/h tie j) 0,5 und die Steilheit nimmt mit S/S tie ^= (h^h) 0 ’ 75 zu. Für
die Tiefen 4000 m und 1000 m würde die Wellenlänge halbiert und die Steilheit verdreifacht.
Dies gilt jedoch nur bei sehr sanften Bodenänderungen. Der Kontinentalhang ist eher eine
abrupte Tiefenänderung. Bei senkrechtem Auftreffen gilt H/H tie ^= 2Ä 0 t ’?y/(İ f ’?y+ h°’ 5 ) (Cam-
FIELD, 1990). Für die obigen Werte nähme die Wellenhöhe also um einen Faktor 1,33 statt
1,41 zu. Bei Camfield (1990) finden sich entsprechende Gleichungen auch für andere Bo
denprofile und Einfallswinkel.
Hydrostatische Modelle wie NEA (Kerridge, 2005) und das Nordostatlantikmodell
des BSH reproduzieren die topographische Modifikation der Ausbreitungsgeschwindigkeit
und das Verkürzen der Wellenlänge mit abnehmender Tiefe. Da die Gleichungen des Modells
Reibungsterme enthalten, bleibt jedoch T nicht mehr konstant, und die einfache lineare Ab
schätzung L = T tie j-\fgh für eine einzelne Welle gilt wie in der Natur nur näherungsweise.
Die Wellenhöhe der einzelnen Wellen nimmt in den Modellsimulationen am Kontinental
hang zwar zu, jedoch sind lokale Erhöhungen bis auf Ausnahmen (Abb. 7) eine Folge der
Überlagerung der Einzelwellen.
Eine explizite Betrachtung der Energiebilanz im Modell hinsichtlich Reflexion, Nicht
linearität und Dissipation wurde nicht vorgenommen. Aber es ist bekannt, dass die nume
rische Approximation analytischer Gleichungen, besonders der Nichtlinearitäten, Einfluss
auf die Größe der Dissipation hat.
Bisher wurden nur barotrope Modellsimulationen erwähnt. In geschichteten Medien
können durch Tsunami auch interne Wellen entstehen, die am Kontinentalhang ebenfalls
modifiziert werden. Ihre Anregung durch Tsunami wurde z. B. von Hammack (1974) unter
sucht.
4. Modellsimulationen mit dem Nordostatlantikmodell
des BSH
Das Nordostatlantikmodell des BSH wurde entwickelt, um langen meteorologisch er
zeugten Wellen, die aus dem Nordostatlantik in die Nordsee eindringen, bei der Ermittlung
des Windstaus in der Deutschen Bucht Rechnung zu tragen. Die Sturmflutforschung hat für
solche Wellen den Begriff Fernwellen geprägt. Das Nordostatlantikmodell ist ein barotropes,
nichtlineares hydrostatisches Modell. Eine signifikante Anpassung erfolgte gegenüber dem
operationeilen Modell hinsichtlich der horizontalen Auflösung. Die folgenden Untersu
chungen wurden für das Nordostatlantikmodell mit einer neuen feineren Auflösung von
etwa 10 km durchgeführt (zukünftige Version des BSH mit Topographie der entsprechenden