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wieder SW, der Barometerstand wurde auf derselben um Mittag zu 745mm, um
8h Abends, wo sic vermuthlich dem Minimum sehr nahe war, zu 729 mm gefunden,
nach einem auf der Sccwarte goprüflten Barometer, Am Morgen des 25. wurde
das Schiff in sinkendem Zustand verlassen.
Das Bremer Schiff „Charlotte“, welches sich gleichzeitig etwas näher zur
deutschen Küste (Okt. 24 Mittags in 54° 15’ N-Br und 6° 55’ O-Lg) befand,
hatte ebenfalls schweren Sturm vom Mittag bis nach Mitternacht, der seinen
Höhepunkt zwischen 6* und 7" Abends mit orkanähnlichem Südost erreichte,
worauf der Wind wieder nach SW zurücksprang.
Das Hamburger Packetboot „Cimbria“, auf der Heimreise begriffen, hatte
am Morgen des 24. in der Strasse von Dover um 8a. m. S 9 mit sehr böigem
Wetter; um 2* p.m. sprang der Wind in einer sehr schweren Regenböe von
SSW nach West; um 8" p.m. wurde in den Hoofden, in 52° 30‘ N-Br und
3° 28‘ O-Lg, der Wind mit West 8—9 verzeichnet; schwere Regenböen
dauerten fort.
Wenige Meilen westlicher hatte der Ort Walmer bei Deal etwas nach
£ Uhr Nachmittags am 24, einen orkanartigen Windstoss zu erleiden, welcher nach
seiner kurzen Dauer, geringen räumlichen Ausdehnung und ausserordentlich ver-
heerenden Kraft durchaus einem nordamerikanischen Tornado entspricht; die
Dauer desselben betrug nur 1 bis höchstens 2 Minuten, die Breite des verwüsteten
Gebiets nur 130 bis 200m, bei einer Länge von etwa 2 englischen Meilen
in der Richtung S 54° W nach N 54° E; bei Lower Walmer ging der Tornado
auf das Meer hinüber. Da das Terrain dicht bebaut ist, so ist der angerichtete
Schaden sehr gross. Die Gewalt des Windstosses wird durch eine Unzahl ab-
gerissener Dächer, umgeworfener Schornsteine, eingedrückter Fenster und Thüren
und entwurzelter oder abgebrochener Bäume bezeugt; eine Mauer von 14 Zoll
Dicke bei 7 Fuss Höhe wurde auf einer Strecke von 86 Fuss Länge umgeblasen,
In Deal selbst scheint der Windstoss nicht verspürt zu sein, wohl aber
stürmte es auch dort sehr heftig in den Mittagsstunden; in der uns vorliegenden
Beschreibung heisst es: „Bald nach Tagesanbruch am 24. begann eine starke
südliche Brise, nachdem am vorigen Tage und in der Nacht mässiger Südwest
voweht hatte; dieselbe veranlasste eine grosse Anzahl von Schiffen, in den
Downs Schutz zu suchen, welche einige Stunden vorher nahezu ganz öde waren;
vegen 10 Uhr nahm die See ein sehr unruhiges Aussehen an, und wurde der Wind
stürmisch aus Süden; von 12 bis 1 Uhr wuchs der Sturm beinahe zu einem
Orkan an, mit strömoendem Regen; etwa 5 Minuten nach Eins trat dann der
erwähnte Tornado im Süden von Deal auf. Als der letztere auf die See über-
ging, wurden die Schiffe in den Downs für einige Minuten von Spritzwasser
verhüllt, und wurde ein ziemlich grosses Boot vom Ufer in die Luft gehoben
und eine Strecke weit ins Meer fortgeführt, von wo es jedoch wieder zurück-
veholt werden. konnte; das Takelwerk einiger Schiffe in etwa 1'/a miles vom
Ufer war behängt mit Heu und Stroh; auf dem Lande waren alle Wege der
Umgegend von Stücken Dachschiefer, Ziegeln, Glasscheiben u. s. w. bedeckt;
ein Kübel von 3 Fuss Durchmesser und 2 Fuss Tiefe, ?/s voll Wasser war ge-
hoben und etwa 100 Fuss nach Nordosten geführt. Menschenleben ist, durch
merkwürdig glücklichen Zufall, keines verloren, wiewohl eine Anzahl Verwun-
dungen vorkamen.“ ‘*)
Die Vorgänge im Luftdruck, welche diese gewaltsame Aufregung der
Atmosphäre begleiteten, waren kurz folgende.
Das Theilminimum, das diesen Sturm bedingte und welches am Morgen
des 24. über England angedeutet war, schritt mit einer Geschwindigkeit von
durchschnittlich 40Km in der Stunde nordostwärts und befand sich am Morgen
des 25. im südlichen Norwegen; dabei hatte es über der Nordsee an Tiefe
sehr zugenommen und eine selbstständige Entwickelung erlangt, während in
Schottland, in dessen Nähe das Hauptminimum bereits seit mehreren Tagen
jag, der Luftdruck sich wenig geändert hatte. Auch an den Orten, die an der
Südostseite der Bahn des Theilminimums lagen, wie Hamburg, ging das während
1) Die obigen Daten sind entnommen dem Novemberheft von Symons’s „Monthly Meteorological
Magazine“, wo sich nähere Beschreibungen des angerichteten Schadens finden; leider fehlen jedoch
Beobachtungen über den Verlauf der Erscheinung, die Vorgänge am Wolkenhimmel und die Richtung
Jes für einen Wirbelwind erklärten Windstosses.