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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 6 (1878)

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rührende stationäre Bewegung im Innern einer unbegrenzten Wasserschicht sich 
mit linear abnehmender Geschwindigkeit bis auf den Grund hinab bemerklich 
macht, während man bisher vielfach die Ansicht ausgesprochen fand, dass der 
Einfluss solcher Oberflächenströme, wie z. B. die durch die Passatwinde erzeugte 
Trift in den tropischen Oceanen, nur in sehr beschränkte Tiefen hinabreiche. 
Zweitens wurde gefunden, dass alle zeitlich veränderlichen, periodischen oder 
unperiodischen Veränderungen der auf die Oberfläche wirkenden Kräfte sich 
ausserordentlich langsam, die periodischen mit sehr rasch abnehmender Amplitude 
in die Tiefe hinein fortpflanzen. Aus der Zusammenfassung beider Sätze folgt, 
Jass die Bewegung des Hauptkörpers einer periodisch-veränderlichen Ober- 
Aächenkräften unterworfenen Wasserschicht durch die mittlere Geschwindigkeit 
der Oberfläche bestimmt ist und dass die periodischen Veränderungen nur in 
einer verhältnissmässig sehr dünnen Öberflächenschicht bemerkbar sind. Es ist 
hieraus ersichtlich, dass bisher der Einfluss der Reibung nach einer Richtung 
hin unterschätzt wurde, insofern man nämlich glaubte, ihren Einfluss nicht als 
einen so tief eindriugenden betrachten zu dürfen, nach einer anderen Richtung 
hin aber überschätzt wurde, insofern man der Reibung bezüglich der Fort- 
pflanzung veränderlicher Strömungsbewegungen einen viel zu bedeutenden Ein- 
Auss zuzuschreiben pflegte. — Auch nach einer anderen Seite hin wurde ihre 
Wirkung vielfach überschätzt, nämlich bezüglich der Einwirkung des Ufers auf 
ginen längs dessclben verlaufenden Strom. Wenn wieder die gesammte Ober- 
Aäche in konstanter Geschwindigkeit erhalten wird, so ist auch im seitlich be- 
grenzten Strom im stationären Zustand die Geschwindigkeitsvertheilung unab- 
hängig vom Reibungskoefficeienten. Ausserdem ist der Einfluss der Ufer auf 
die Geschwindigkeitsvertheilung ein ausserordentlich geringer. 
Es ergiebt sich ferner, dass in einer Flüssigkeitsschicht von konstanter 
Tiefe sehr wohl zwei parallel derselben Geraden aber in entgegengesetzten 
Richtungen verlaufende stationäre Strömungen, ohne sich zu stören, aneinander 
grenzen können, Ihre Scheidefläche ist dann eine ihrer Richtung parallele Ver- 
tikalebene, in welcher die Geschwindigkeit 0 herrscht, die sich also gegen jeden 
Strom wie ein festes Ufer verhält. 
Es wurde oben durch Zahlen gezeigt, wie ausserordentlich langsam die 
an der Oberfläche vorhandene Geschwindigkeit in die Tiefe fortgepflanzt wird, 
wenn hier zuvor Alles in Ruhe war. Man schliesst hieraus umgekehrt, dass, 
wenn jeder Punkt der ganzen Flüssigkeitsmasse in einem bestimmten Augen- 
blick eine gegebene Geschwindigkeit hat, die mit der Tiefe veränderlich sein 
kann, und wenn von demselben Augenblick an die Oberfläche in Ruhe bleibt, 
die Nachwirkung dieses Anfangszustandes mit derselben Langsamkeit ver- 
schwindet, d. h. das Meer mit derselben Langsamkeit in den Ruhestand über- 
geht, mit welcher im ersten Falle die Oberflächengeschwindigkeit in die Tiefe 
fortgepflanzt wurde, also das Meer aus dem Ruhezustand in den der Bewegung 
überging. In der That zeigen die Formeln, dass die Zeiten für das Entstehen 
und für das Verschwinden desselben Bruchtheils der gegebenen Geschwindigkeit 
durch dieselbe Zahl ausgedrückt werden. 
Wenn nun z. B. vor etwa 10000 Jahren, also zu einer Zeit, von der 
jode historische Kunde fehlt, durch irgend ein kosmisches Ereigniss das Gleich- 
gewicht der Meere in so erheblicher Weise gestört worden wäre, dass daraus 
starke Strömungen entstanden wären, so würde der Einfluss der damaligen Be- 
wegungen in dem jetzigen Strömungszustand sicherlich noch nicht ganz ver- 
schwunden sein; er würde sogar noch heute die Bewegung des Oceans in den 
grösseren Tiefen sehr vorherrschend bestimmen, wenn die Erde vollständig mit 
einem Ocean von der gleichmässigen Tiefe von 4000 m bedeckt wäre. Die 
Unterbrechung des Oceans durch Land- und Inselmassen von unregelmässiger 
Gestalt wird dazu beitragen, jene Nachwirkung früherer Bewegungszustände ab- 
zuschwächen, weniger durch die vermehrte Reibung am Bett, als durch die 
überall entstehenden Reflexionsströmungen, die sich durchkreuzen und ver- 
drängen; indessen muss nach der oben zahlenmässig nachgewiesenen langsamen 
Ausbreitung des Einflusses lokal wirkender Bewegungsänderungen in die innere 
Masse hinein dringend davor gewarnt werden, dass man sich mit der herge- 
brachten Redensart, die Reibung brauche alle diese Geschwindigkeiten rasch 
auf, über die Schwierigkeiten genauerer Berechnung hinaussetze.
	        
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