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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 6 (1878)

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Seit dem Monat Oktober benutzt die Deutsche Seewarto, unterstützt durch 
das bereitwillige Entgegenkommen der Direktionen der Hamburg-Amerikanischen 
Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft und des Norddeutschen Lloyd, neben zahlreichen 
an Bord von Segelschiffen angestellten Beobachtungen, die zwischen Europa und 
Amerika (meist zwischen 40° und 50° N-Br) verkehrenden deutschen Dampfer 
für solche Beobachtungen, welche geeignet sind, eine genauere und schnellere 
Aufklärung über die Witterungsverhältnisse auf dem Atlantischen Ocean und 
deren Zusammenhang mit den über Europa sich fortbewegenden atmosphärischen 
Erscheinungen zu geben. Durch das von der Direktion der Seewarte für diese 
Beobachtungen eigens eingerichtete Beobachtungssystem, nach welchem täglich 
zweimal zu gewissen Stunden Beobachtungen über Luftdruck, Wind und See- 
gang angestellt werden, wird es ermöglicht, eine direkte regelmässige Verbin- 
dung der auf den beiden Kontinenten im Osten und Westen des Atlantischen 
Oceanes ausgeführten Beobachtungen herzustellen. Ein derartiges regelmässiges 
Beobachtungssystem hat in diesem Umfange bisher noch nirgends bestanden, 
und kann man sich einen um so grösseren Erfolg davon versprechen, als man 
durch dasselbe in den Stand gesetzt wird, die einzelnen atmosphärischen 
Depressionen in ihrer Entstehung und Entwickelung auf dem Ocean zu erkennen 
und ihre fortschreitende Bewegung von Tag zu Tag zu verfolgen. Schon für 
den Monat Oktober, den ersten, in welchem dieses neue Beobachtungssystem zur 
Durchführung gelangte, ist ein schöner Erfolg desselben erzielt worden (siehe 
Monatliche Uebersicht der Witterung, Oktober 1877, pag. 18—19). Mit Zuhülfe- 
nahme der Beobachtungen auf den Dampfern „Wieland“, „Gellert“, „Hermann“, 
„Nürnberg“ und „Frankfurt“, sowie S. M. Schiffe „Friedrich Karl“, „Kaiser“ 
und „Deutschland“ konnte der Verlauf der Depression VI (s. Bahnen der 
barometrischen Minima im Oktober 1877) vom 4. Oktober in 35°—36° N-Br, 
auf dem Meere, nicht weit von der amerikanischen Küste, quer über den ganzen 
Atlantischen Ocean bis zu den nordwestlichen Küsten Europa’s am 14, Oktober, 
verfolgt werden. Die Bahn des Centrums dieser Depression verbindet sich aber, 
mit aller nur wünschenswerthen Genauigkeit, mit einer in der „Monthly Weather 
Review“ für den Oktober gezeichneten Bahn eines Wirbelsturms, welcher sich 
am 22. und 23. September in westlicher Richtung zwischen St. Domingo und 
Venezuela hindurch bewegte und in Curagao enorme Verheerungen anrichtete 
(a. a. O. pag. 17). Auf diesen ersten, mit der hervorgehobenen Sicherheit nach- 
gewiesenen Fall der Fortpflanzung eines Wirbelsturmes über den ganzen Atlanti- 
schen Ocean ist bereits in diesen „Annalen etc.“, pag. 79, hingedeutet worden. 
Obgleich der Gedanke, dass Stürme, welche in Westeuropa auftreten, in 
bestimmter Beziehung zu den Orkanen Westindiens ständen, schon vor 25 Jahren 
(1853) von Martin in seinem „Memoir on the Equinoctial Storm of March — 
April 1850“ ausgesprochen wurde, und ogleich auch Dove meint, dass Fälle, 
in welchen man barometrische Minima in höheren Breiten als Folge eines in 
sie eindringenden tropischen Wirbelsturms betrachten kann, nicht ganz selten 
sind (s. Dove, Gesetz der Stürme, 4. Aufl., 1873, pag. 184), so kann doch nur 
durch eine eingehende Prüfung und Darlegung der meteorologischen Vorgänge 
in dem Gürtel zwischen 35° und 50° N-Br ein entscheidender Nachweis, wie in 
dem vorliegenden Falle im Oktober 1877, geliefert werden. Die von Professor 
Daniel Draper in seinem „Report of the Central Park Observatory of New- 
York pro 1872 ausgesprochene Behauptung, dass von 86 Stürmen, von welchen 
ursprünglich angenommen worden sei, dass sie den Atlantischen Ocean von 
Küste zu Küste kreuzen würden, dies nur bei 3 Stürmen nicht zugetroffen zu 
sein scheine, hat sich bei gründlicher Untersuchung durchaus nicht bewahrheitet 
(Ss. „The American Stormwarnings, by R. H. Scott“ im Nautical Magazine, 
1878, März, pag. 215 ff.); vielmehr müssen Vorkommnisse der bezeichneten 
Art, ebenso die von Loomis in Silliman American Journal ete., Januar 1876, 
pag. 1—17 (s. „Ann. d. Hydr. etc.“, 1876, pag. 470) angeführten 11 Beispiele 
von Stürmen, „welche den Atlantischen Ocean von Amerika bis Europa wirklich 
durchkreuzt haben“, zunächst nur als Ausnahmefälle betrachtet werden, welche 
aber für die Gesammtauffassung der meteorologischen Beziehungen zwischen 
Amerika und Europa, den Tropen und den höheren Breiten, wenn gründlich 
erforscht, ein tiefyrehendes praktisches Interesse haben. 
Ann. d. Hydr., 1878. Heft 11 (März).
	        
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