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im Ueberschuss und die Oberflächenschichten erfüllend austreten muss, während
eine kleinere und salzhaltigere Wassermasse als Unterstrom eintritt. Aenderun-
gen in der Intensität dieses Unterstromes, wie solche durch die Einwirkung der
Winde oder der Niederschläge bald in dem einen, bald in dem anderen Sinne
hervorgebracht werden, müssen sich in dem kleinen, der Nordseeverbindung
zunächst liegenden westlichen Ostseebecken am meisten bemerkbar machen, bis
durch Vermischung mit dem von Osten nach Westen unablässig im Ueberschuss
abfliessenden salzarmen Wasser sich eine gleichmässigere Beschaffenheit der
ganzen Wassermasse hergestellt hat, welche, wie erwähnt, nach den bisherigen
Erfahrungen etwa auf der Linie Rügen— Ystadt beginnt.
Sehr andauernde und intensive Westwinde können den abfliessenden Strom
hemmen und den einfliessenden salzreichen Unterstrom fördern. Dann wird
nicht allein das ganze westliche Ostseebecken mit ungewöhnlich salzreichem
Wasser erfüllt werden, sondern dasselbe kann ausnahmsweise und namentlich
in den tieferen Wasserschichten viel weiter nach Osten vordringen. So war es
1872 vor der Sturmfluth und ist so salzreiches Wasser seitdem nicht wieder
beobachtet worden.
Oestliche Winde haben nicht den entsprechenden entgegengesetzten Erfolg,
theils weil sie in gleicher Dauer, wie die westlichen Winde, nicht vorkommen,
theils weil das zur Ergänzung des vorgetriebenen Wassers erforderliche Wasser
nicht vorhanden ist, wie bei den westlichen Winden. Dagegen werden Jahre
mit abnorm hohen Niederschlägen im Abwässerungsgebiete der Ostsee den aus-
laufenden salzarmen Oberstrom verstärken und wird dadurch der einlaufende
Unterstrom zurückgedrängt werden. So ist es in den Jahren 1874—1876 und
auch noch bis zum Schlusse des Jahres 1877 gewesen, wo trotz andauernder
Westwinde die grossen Niederschlagsmengen eine starke Herabdrückung des
Salzgehaltes . im westlichen Becken bewirkten. Erst am Schlusse des Jahres
1877 beginnt wieder das im Unterstrome kräftiger eintretende Nordseewasser
sich bemerkbar zu machen.“ (a. a. O. pag. 269.)
Noch ein anderer Unterschied im Salzgehalt des Ostseewassers, als
der von Ost nach West und der von der Oberfläche nach der Tiefe, lässt sich
aus den Stationsbeobachtungen herleiten, nämlich der nach den Jahreszeiten.
Das Wasser der Ostsee ist nämlich in dem den Herbst und Winter umfassenden
Halbjahre salzreicher, als im Frühling und Sommer, Diese Erscheinung tritt
namentlich bei den westlichen Stationen stark hervor und ist durch die beiden,
einander entgegengesetzten Strömungen mit verschiedenem Salzgehalte veranlasst,
indem die überwiegend westlichen Winde im Herbst und Winter die Wirkung
des eindringenden salzreicheren Nordseewassers verstärken, die im Frühling und
Frühsommer in die Ostsee einströmenden Süsswassermassen dagegen den aus-
gehenden Strom von salzärmerem Wasser verstärken und den Zutritt des
salzreicheren Nordseewassers hemmen.
Für die einzelnen Stationen ergeben sich allerdings, wie umstehende
Tabelle zeigt, noch von der jährlichen Periode unabhängige Schwankungen des
apecifischen Gewichtes und bedeutende Abweichungen der Extreme vom Jahres-
mittel (grösser in den westlichen Stationen, als in den östlichen), welche in
verschiedenen Jahren auch ungemein verschiedene physikalische Zustände be-
wirken, je nach dem Vorwiegen verschiedener Windrichtungen und der Massen
und Dauer der Niederschläge.
Die Wassertemperaturen der Ostsee zeigen in ihrem Verhalten an der
Oberfläche und in der Tiefe die ebenfalls schon früher (1871) nachgewiesenen
Eigenthümlichkeiten, indem das Oberflächenwasser der jährlichen Periode der
Lufttemperatur fast vollständig folgt, also im Allgemeinen hohe Sommertemperatur
and niedrige Wintertemperatur hat, das 7T%iefenwasser aber den Einfluss der
Temperaturen der Nordsee, welche im Sommer niedriger und höher im Winter
sind, erkennen lässt.
Eine kleine Abweichung von dem Gange der Lufttemperatur zeigt sich in
dem monatlichen Gange der Temperatur des Oberflächenwassers, für welches nicht
immer, wie bei der Luft die Monate Januar und Juli, sondern meistens Februar und
August die beiden extremen Monate sind. Diese Verschiebung der monatlichen
Extreme tritt in dem Tiefenwasser noch stärker hervor; in der tiefsten Stelle
des Kieler Hafens ist der Oktober der wärmste und der März der kälteste
Ann. d. Hydr., 1878, Heft Ill (März).