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Bewegung der Sande im Flusse muss eine ausserordentlich umfangreiche und
yewaltsame sein, in rascher Folge werden flache Stellen zu trocken fallenden
Bänken und diese zu Inseln, die sich in kürzester Zeit mit dem üppigsten
Pflanzenwuchs bedecken. So ist z. B. die Insel auf der, südlich der Einfahrt
gelegenen Coroa Gaivotas schon mit einem undurchdringlichen Walde bestanden,
während sie nach der oben angegebenen Beschreibung in den „Nachr. f. Seef.“
1872 No. 456 eine, sich mit Grün überziehende Insel war, deren Entstehung aus
jüngster Zeit datirt. Auf der andern Seite werden Bänke, wenn sie sich einem
neu gebildeten Fahrwasser entgegensetzen, ebenso rasch fortgeschwemmt.
Wenn man die gewaltigen Wassermassen sieht, welche sich in diesem Flusse
oft mit einer reissenden Schnelligkeit auf- und niederwälzen, so macht man sich
klar, dass hier fortwährend neue Gebilde entstehen und alte fortgetragen
werden müssen, und dass das mit dem Strom fortgeführte Erdreich, sobald es
zur Ablagerung kommt, einen fortwährenden Wechsel der Ufer und Bänke er-
zeugen muss. Auf diese Weise ist es nicht zu verwundern, dass die Karten
vasch werthlos werden; es ist uns wiederholt passirt, dass Kreuz-Peilungen, der
Karte nach, mitten auf die Bänke verwiesen, während wir 15m Wassertiefe
hatten, ebenso genügte der Augenschein, um die‘ mit den Inseln vorgegangenen
Veränderungen wahrzunehmen. Da, wo das Fahrwasser zwischen der Spitze
Musqueiro und Pard durch die Inseln oft in eine schmale Rinne eingezwängt
wird, kann man sich der Hülfe des Lootsen nicht entrathen. Für die Bezeich-
nung des Fahrwassers ist absolut nichts gethan, oberhalb des Forts da Barra
liegt eine einsame Tonne.
Auf dem Ankerplatz in Pard lagen wir ungefähr !/s Sm vor der Stadt mit
2 Ankern vertäut, bei der Ebbe auf 6m, bei der Fluth auf 9,5m Wasser, Die
Gezeitenströmung läuft ziemlich regelmässig, durchschnittlich 6 Stunden lang, die
Fluth jedoch bedeutend stärker, wie die Ebbe. Erstere erreicht in ihrer Höhe
eine Schnelligkeit von 4 Sm. Der Wind wehte anhaltend zwischen Nord und
Ost, und zwar Morgens meist aus östlicher und Nachmittags aus nördlicher
Richtung, mit der Fluth kam zu dieser Tageszeit oft ein sehr frischer Nord-
wind durch, der rasch eine, für Boote unangenehme See erzeugte und auch hin
und wieder Regen und Gewitter brachte. Im Allgemeinen haben wir aber
eine, für Pard sehr trockene Zeit daselbst verlebt, dafür jedoch auch eine hohe
Temperatur in den Kauf nehmen müssen. Die durchschnittliche Tagestempe-
ratur war 30°, in der Nacht kühlte sich die Luft bis auf 25° ab. Nur die
Frische Brise machte die Tageshitze einigermassen erträglich.“
2. Bemerkungen über die Handels- und Verkehrsverhältnisse der Stadt Para.)
„Da Pard der Hauptstapelplatz aller von dem Gebiete des Amazonen-
stromes und seiner Nebenflüsse herabkommenden Waaren ist, so sollte man auf
einen lebhafteren Handelsverkehr schliessen, als er wirklich vorhanden ist. Die
Produktionsfähigkeit des Landes muss also noch sehr gering und im Verhältniss
zu der Leistungsfähigkeit desselben geradezu verschwindend klein sein. Dio
Ausfuhr Pard’s wird ungefähr den Werth von 25000000 „4 erreichen, davon
entfallen auf Gummi Elasticum allein 18800000 „4, etwa 5/4 des ganzen
Exports, und auf Kakao etwa 2700000 A Der Rest vertheilt sich auf Nuss-
früchte, Rehfelle, gesalzene und getrocknete Häute, Arzneiwaaren (balsam co-
paivae, sarsaparilla) und einige sonstige! Artikel von ganz unwesentlicher
Bedeutung.
Die Gewinnung des Gummi erfordert keine Anpflanzung, die Bäume
wachsen zum überwiegend grossen Theil wild. Das kg Gummi kostet hier un-
gefähr 3,00 A, doch ist die Ausfuhr desselben mit einer Export-Steuer belegt,
die ihn noch um etwa !/e vertheuert. Eine Ladung Gummi wird also für ein
einigermassen grosses Schiff zu einer sehr werthvollen Fracht. Die Haupt-
absatzplätze für Gummi sind Amerika und England, für Kakao Frankreich,
Nach Deutschland ist gar kein direkter Export. Deutsche Handelsinteressen
sind am Platz also nicht vertreten. Von Schiffen haben im Jahre 1876 hier
verkehrt: 117 Dampfer (darunter ca. 60 englische und einige 40 brasilianische) und
102 Segelsehiffe, davon nur 6 deutsche (Hamburger und Bremer). Im Jahre 1877
\ Vel, Jülfs und Balleer: „Seehäfen der Erde“, Theil I, (1870), pag. 283,