2 Atmosphärenphysik
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Nordseezustand 2004
2.1 Nordatlantische Oszillation
Die Nordatlantische Oszillation (NAO) ist in einer Vielzahl von Studien zur Erklärung
der Variabilität verschiedenster Naturerscheinungen in der Nordhemisphäre herange
zogen worden (Marshall et al. 2001, Hurrell 2003). Obwohl viele andere Faktoren
im Netzwerk der Wechselwirkungen Einfluss nehmen, ist die NAO oft als wichtigste
Einzelgröße für einen hohen Anteil der Variabilität diverser Beobachtungsgrößen ver
antwortlich. Auch die atmosphärische Variabilität über der Nordsee wird in der kühle
ren Jahreszeit von der NAO dominiert. Die Abhängigkeit der ozeanographischen Zu
standsgrößen (Strömung, Temperatur, Salzgehalt) hinsichtlich Muster und Intensität
vom atmosphärischen Antrieb zeigt sich folgerichtig im Winter in statistischen Zusam
menhängen zwischen diesen Variablen und dem Zustand der NAO. Für andere nicht
hydrographische Zustandsgrößen der Wassersphäre sind mittelbare, auch zeitverzö
gerte Zusammenhänge zur NAO über hydro- und thermodynamische Prozesse mög
lich.
Die NAO ist eine atmosphärische Massenschaukel zwischen Island und den Azoren.
Der NAO-Index beschreibt die Auslenkung dieses Massependels als Differenz stan
dardisierter Luftdruckanomalien an zwei meteorologischen Stationen in den atmos
phärischen Aktionszentren - Azorenhoch und Islandtief. Ein positiver Index steht für
einen anomal starken, südwärts gerichteten Druckgradienten und entsprechend ano
mal starke geostrophische Westwinde. Ein stark negativer Index kann eine Umpolung
des Druckgradienten (Azorentief und Islandhoch) mit Ostströmung bedeuten (z. B.
Winter 1963), während ein moderat negativer Index eine Abschwächung der klassi
schen Situation (Westströmung) beinhaltet, diese aber nicht »auf den Kopf stellt«. Ein
negativer NAO-Index im Winter ist in Westeuropa mit Kälte und Trockenheit verbun
den, ein positiver NAO-Index geht mit maritimen Wintern (warm und nass) einher.
Es gibt nicht »den« NAO-Index sondern diverse NAO-Indizes, die sich hinsichtlich Sta
tionswahl, Standardisierungszeitraum (Basisperiode), Saisonlänge und demzufolge
im Zahlenwert unterscheiden. Eine Auswahl solcher Indizes bietet Abb. 2-1. Der monat
lich im Climate Diagnostics Bulletin veröffentlichte >NAO Teleconnection lndex< des
Climate Prediction Centers wird hier noch als 700-hPa-lndex verwendet (ftp://
ftp.cpc.ncep.noaa.gov/wd52dg/data/indices/tele_index.nh.old) 1 . Der in früheren Be
richten angegebene >Hurrell-lndex< (www.cgd.ucar.edu/cas/jhurrell/indices.data.html
#naostatmon) wird seit April 2003 nicht mehr fortgeführt, vermutlich weil die WMO-
Station 08513 (Ponta Delgada / Observatory) im Juni 2003 geschlossen wurde.
Für diesen Bericht ist ein NAO-Index maßgebend, der sich auf Arbeiten von
Koslowski und Loewe (1994) und Loewe und Koslowski (1998) gründet. Er be
schreibt die Differenz der für den Zeitraum 1961 - 1990 standardisierten monatlichen
Luftdruckanomalien bei Ponta Delgada (Azoren) und Akureyri (Island) im Zeitraum
1879 - 2004. Das »Überleben« dieses Index ist Ch. Lefebvre vom Deutschen Wet
terdienst zu verdanken, die keine Mühen scheute, Luftdruckdaten der Ersatzstation
08512 (Ponta Delgada / Airport) aus Portugal zu beschaffen.
Aus Abb. 2-1 ist ersichtlich, dass die qualitative Zustandsentwicklung der NAO von al
len Indizes richtig wiedergegeben wird. Danach unterlag der NAO-Index im Jahr 2004
relativ starken Schwankungen um das O-Niveau, die ab Jahresmitte hinsichtlich Inten
sität und Frequenz deutlich Zunahmen. Der meteorologische Winter (DJF-Quartal
7. Der CPCCDB-Index wird seit Mai 2005 auf Basis der 500 hPa Höhenanomaliefelder angegeben und wurde
inzwischen für die Zeit seit 1950 neu bestimmt (ftp://ftp.cpc.ncep.noaa.gov/wd52dg/data/indices/tele_index.nh)