4.4 Radioaktive Stoffe
Nordseezustand 2004
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doch erhebliche Mengen künstlicher Radionuklide freigesetzt, die als radioaktiver Nie
derschlag (Fallout) zu einer noch heute messbaren globalen Kontamination führten.
Auch die industrielle Nutzung der Kernenergie war und ist mit einer zusätzlichen Be
lastung der Umwelt - und damit auch der Meeresumwelt - durch künstliche Radioiso
tope verbunden. Alle der weit über 2000 verschiedenen künstlich erzeugten Kerne, die
nicht in der Natur Vorkommen, sind radioaktiv. Zu jedem Element ist heute mindestens
ein radioaktives Isotop bekannt. Der Umstand, dass sich diese Isotope chemisch prak
tisch nicht von den stabilen (nicht radioaktiven) Isotopen des jeweiligen Elements un
terscheiden, begünstigt die Anreicherung bestimmter Radionuklide in der Nahrungs
kette.
Tafel 4-8: Radioaktivität
Radioaktivität ist die Eigenschaft gewisser Elemente, genauer der Atomkerne instabiler Isotope, sich ohne
äußere Einwirkung unter Aussendung einer charakteristischen Strahlung solange umzuwandeln, bis ein sta
biler Endkern entsteht. Bel der Umwandlung (o. a. Zerfall) der Radioisotope ändert sich die Zusammenset
zung (Tellchenstrahlung, z. B. a- oder ß-Strahlung) oder der Energiezustand des Kerns (y-Strahlung); diese
ionisierenden Strahlungsarten unterscheiden sich u. a. hinsichtlich Ihrer Durchdrlngungsfählgkelt und
Strahlenwirkung.
Die meisten der über 40 bekannten natürlichen Radionuklide zählen zu den schwersten Elementen (Ord
nungszahlen 81 bis 92), von denen nur Uran (92) und Thorium (90) in größeren Mengen in der Natur Vorkom
men. Sie lassen sich weiter in primordiale und kosmogene Nuklide unterteilen. Die primordialen Isotope sind
mit dem Weltall entstanden und aufgrund extrem langer Halbwertszeiten noch nicht zerfallen. Zu diesen ge
hören Kalium-40, Rubidium-87 sowie die Mutternuklide Uran-238, Uran-235, Thorium-232 mit den Zwi
schenprodukten der drei natürlichen Zerfallsreihen. Kosmogene Nuklide wie Tritium, Berylllum-7 und
Kohlenstoff-14 werden durch kosmische Höhenstrahlung ständig nachgebildet und aus der Atmosphäre Ins
Meer eingetragen.
Künstliche Radionuklide fallen bei der Kernspaltung aus Uran oder Plutonium an. Sie gelangen vor allem
durch nukleare Wiederaufbereitungsanlagen, in geringen Mengen auch beim Betrieb von Kernkraftwerken
über Abluft und Abwasser in die Umwelt. Einige der bei der Kernspaltung anfallenden Nuklide, wie Tritium
oderC-14, entstehen auch durch natürliche Prozesse. Inzwischen sind weit über 2000 künstliche Radionukli
de bekannt.
Niederschlagsraten sind ein Maß für die In einem Zeitintervall anfallende Regenmenge, aus der sich nicht
ohne weiteres ergibt, wie nass der Durchschnittsmensch wird. Genauso wenig sind die gemessenen Zerfalls
raten (Bq) der verschiedenen Radionuklide mit der Strahlenwirkung und daraus resultierenden Belastung
biologischer Systeme gleichzusetzen. Die Strahlenwirkung hängt zunächst von der vom Gewebe absorbier
ten Energie - der Energiedosis - ab, die in J/kg oder Gray (Gy) angegeben wird. Da die verschiedenen Strah
lungsarten bei gleicher Energiedosis unterschiedliche Wirkungen zeigen, wurden von der Internationalen
Strahlenschutzkommission (ICRP) aus strahlenepidemiologischen Untersuchungen abgeleitete Strahlungs
wichtungsfaktoren festgelegt. Ferner wurden Gewebewichtungsfaktoren eingeführt, welche die unter
schiedliche Strahlenempfindlichkeit der verschiedenen Organe und Gewebe berücksichtigen. Diese dimen
sionslosen Dosisfaktoren werden mit der Energiedosis zur effektiven Dosis verknüpft, die (zur Unterschei
dung von der Energiedosis) In Sievert (Sv) angegeben wird.
Die effektive Dosis aus allen natürlichen und künstlichen Strahlenquellen beträgt für einen Einwohner in
Deutschland im Mittel 4 mSv im Jahr. Diese Dosis stammt etwa jeweils zur Hälfte aus der natürlichen und der
medizinischen Strahlenexposltlon, Insbesondere aus der Röntgendiagnostik (Koelzer 2006). Zur effektiven
Dosis aus allen natürlichen Strahlungsquellen trägt die innere Strahlenexposition 1.4 mSv bei, die zu etwa
75 % durch Radon-222 und Radon-220 und Insbesondere deren kurzlebige Folgeprodukte und zu 1/8 durch
Kalium-40 verursacht wird. Demgegenüber beträgt die Gesamtaktivität des Standardmenschen 9000 Bq
und ergibt sich zu über 95 % aus den Zerfallsraten von K-40 (4200 Bq), Be-7 (3800 Bq) und Rb-87 (650 Bq)
(Volkmer 2005). Die Aktivität der Rn-Isotope und ihrer Zerfallsprodukte, welche den Hauptbeitrag zur Dosis
leisten, ist hingegen mit insgesamt 45 Bq verschwindend gering.