Zusammenfassung
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Nordseezustand 2004
Vermischungsprozess ist (z. B. Nährstoffverteilungen in Zeiten geringer biologischer
Aktivität).
Abweichungen, die sich insbesondere in einem stärkeren Konzentrationsgefälle zur
offenen See hin zeigen, als bei konservativer (d. h. weitgehend von den Strömungs
bedingungen abhängiger) Ausbreitung zu erwarten wäre, sind oftmals Folge einer
ausgeprägten Neigung des jeweiligen Stoffes, sich an Schwebstoffe anzulagern
(Schwebstoffaffinität). Diese Eigenschaft hat eine relativ schnelle Abreicherung in der
Wassersäule und Anreicherung im Sediment zur Folge (Sedimentation), so dass die
Kontamination des Meeresbodens die des Meerwassers häufig erheblich übersteigt.
Hohe Schadstoffgehalte des Sediments belegen zwar, dass das Subsystem Meeres
boden für viele Stoffe, die aus externen Quellen in das Subsystem Meerwasser einge
tragen werden, eine Senke darstellt; andererseits ist das Sediment für dieselben Stoffe
eine interne Quelle des Gesamtsystems Nordsee - denn sturm- und gezeitenbedingte
starke Strömungen und Turbulenzen führen in den weitgehend flachen und sandigen
Gebieten der Nordsee zu Sedimentverfrachtungen und Resuspension. So sind die ge
genwärtigen Volumenaktivitäten radioaktiver Stoffe in der Deutschen Bucht nur zu ei
nem Bruchteil durch (reduzierte) rezente Ableitungen der Wiederaufbereitungsanla
gen erklärbar; die Hauptquelle stellen reaktivierte Nuklide aus dem hochbelasteten
Sediment der Irischen See dar.
Maßnahmen zur Reduktion externer Schad- und Nährstoffeinträge (Quellstärken) füh
ren also nicht notwendig umgehend zu einem verbesserten chemischen Zustand der
Nordsee. Denn gleichgerichtete oder entgegenwirkende natürliche Prozesse (z. B.
Sturmfrequenzen, Niederschlagsraten, Wasserführung der Flüsse, Strömungsano
malien) bestimmen Quellstärke, Ausbreitung und Verteilung von Stoffen und Verbin
dungen in der Meeresumwelt wesentlich mit. Die Belastungsvariabilität setzt sich
demnach aus natürlichen und anthropogenen Komponenten zusammen, deren Quan
tifizierung oft problematisch ist und deshalb die Beurteilung der Wirksamkeit und Effi
zienz ökologischer Maßnahmen erschwert. Eine zunehmende Einbeziehung der
»physikalischen Anomalien« des Systems Nordsee ist darum essentiell für die Inter
pretation und Bewertung seines chemischen Zustands.
Die wichtigsten Ergebnisse zu Nährstoffen, organischen Stoffen, Metallen und Radio
nukliden sind den folgenden Abschnitten zu entnehmen.
Nährstoffe
Die räumlichen Verteilungsmuster des Phosphat- und Silikatgehalts sowie der Sum
menkonzentration von Nitrat und Nitrit im Meerwasser der Deutschen Bucht entspre
chen im Winter denen der Salzgehaltsverteilung in hohem Maße, da in dieser Jahres
zeit geringer biologischer Aktivität hydrodynamische Vermischung der dominante
Prozess ist.
Die regressiv aus Salzgehalts- und Nährstoffanalysen abgeleiteten, für Küstenwasser
(Salzgehalt 30) und Meerwasser der eigentlichen Deutschen Bucht (S = 33) repräsen
tativen Nährstoffgehalte unterschieden sich im Winter 2004 wenig von denen des Vor
jahreswinters. Die Phosphatgehalte lagen in der Deutschen Bucht wenig, im Küsten
wasser deutlich über den Vergleichswerten von 1936. Hohe Konzentrationen der
Stickstoffverbindungen zeigten eine nach wie vor erhebliche Nährstoffbelastung an.