4.2 Organische Stoffe
Nordseezustand 2004
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4.2 Organische Stoffe
4.2.1 Einführung
Von den heute bekannten über 18 Mio. chemischen Substanzen sind die meisten or
ganische Verbindungen. Davon besitzen ca. 20 000 industrielle Bedeutung und wer
den in größeren Mengen hergestellt. Etwa 2 000 Verbindungen gelten als umweltrele
vant (Schadstoffe), weil sie giftig (toxisch) oder in der Umwelt beständig (persistent)
sind und/oder sich in der Nahrungskette anreichern (bioakkumulieren) können. 100 bis
300 dieser Verbindungen sind z. Z. in Listen prioritär zu behandelnder Stoffe erfasst
(EU, EPA, OSPAR, HELCOM).
Die in diesem Bericht betrachteten Substanzen stammen größtenteils aus industrieller
Produktion und gelangen durch menschliche Aktivitäten in die Meeresumwelt. Gegen
wärtig überwacht das BSH routinemäßig ca. 100 organische Schadstoffe, die auf
grund ihrer Umweltrelevanz von besonderer Bedeutung sind oder als Leitsubstanzen
für ganze Schadstoffklassen angesehen werden (Theobald 1998). Unter den Schad
stoffen finden sich Verbindungen sehr unterschiedlicher chemischer Struktur, die sich
in der Umwelt entsprechend verschieden verhalten können.
Mit Ausnahme der HCH-Isomere sind die meisten Organochlorverbindungen ausge
sprochen lipophil (fettlöslich) und damit nur in geringem Maße wasserlöslich. Sie rei
chern sich daher besonders in Sedimenten und im Fettgewebe von Organismen an.
Da sie zudem oft hochgradig persistent sind, wird eine Akkumulation innerhalb der
Nahrungskette begünstigt. Die Anreicherung und damit Belastung eines Organismus
ist dabei um so größer, je hochrangiger seine Stellung in der Nahrungskette ist. Neben
der unmittelbaren toxischen Wirkung der aufgenommenen Substanzen können im Or
ganismus erzeugte Abbauprodukte zu einer Verstärkung der Schadstoffwirkung füh
ren.
Von besonderer Bedeutung sind Schadstoffe, die hormonelle Wirkungen erzeugen
(z. B. DDE, Dieldrin, TBT). Diese als Umweltöstrogene oder Xenoöstrogene bezeich-
neten organischen Verbindungen sind hinsichtlich ihrer chemischen Zusammenset
zung und Struktur - und damit auch in ihren physikalischen und chemischen Eigen
schaften - sehr heterogen. Indem sie in die hormonellen Regelkreise von Organismen
eingreifen, sind Funktionsstörungen mit negativen Folgen für Fortpflanzung und Ent
wicklung möglich, die oft bereits bei extrem geringen Konzentrationen auftreten.
Anthropogene organische Schadstoffe sind im Meer ungleichmäßig verteilt und kom
men in sehr unterschiedlichen Konzentrationen vor. Ihre Verteilung in der marinen Um
welt ist von vielfältigen Faktoren abhängig. Neben den Eintragsquellen (Schifffahrt, In
dustrie, Haushalt, Landwirtschaft), Eintragsmengen und Eintragspfaden (direkt über
Flüsse, diffus über Atmosphäre) sind die charakteristischen physikalischen und che
mischen Eigenschaften der Schadstoffe und der dynamisch-thermodynamische Zu
stand des Meeres für Ausbreitungs-, Vermischungs- und Verteilungsprozesse rele
vant. Die relative Einflussstärke all dieser Variablen kann dabei von Stoff zu Stoff sehr
verschieden sein und hat zur Folge, dass sich nur wenige Schadstoffe konservativ ver
halten; d. h. ein einfacher Zusammenhang zwischen der Konzentration anthropogener
Stoffe und hydrodynamischen Variablen ist selten erfüllt. Allenfalls für regional be
grenzte Gebiete mit klaren Quellenzuordnungen lassen sich einfache Korrelationen