Das Marineobservatorium
Wilhelmshaven 1874 — 1945
Kaiserliche Observatorien, die der Admiralität, seit 1889 dem
Reichsmarineamt unterstanden, wurden durch Verordnung
1874 in Wilhelmshaven, 1883 in Kiel und 1903 in Tsingtau
eingerichtet. Das. bedeutendste von ihnen war das Wilhelms-
havener Institut. Nur dieses überdauerte den ersten Welt-
krieg und bestand als Marineobservatorium bis 1945 fort.
Zum ersten Vorstand wurde 1874 der 31jährige Carl Börgen
ernannt, auf Vorschlag Neumayers. Eine alte Wurt nahe dem
heutigen neuen Vorhafen fanden beide nach sorgfältiger
Untersuchung als geeignet für erdmagnetische Beobachtungen.
Das Observatorium erhielt Abteilungen für Erdmagnetismus,
Meteorologie, Hydrographie und Zeitdienst, Börgen blieb
35 Jahre im Amt, die halbe Zeit, die das Observatorium be-
stand, eine Periode stetiger und erfolgreicher Arbeit. Von
1909 an beeinträchtigte eine Straßenbahn die magnetischen
Beobachtungen. Über eine Verlegung des Observatoriums
war aber bis 1914 nicht entschieden, Bei Kriegsende ließ das
Observatorium sich nur erhalten, indem große Arbeitsgebiete
abgegeben und die magnetischen Beobachtungen eingestellt
wurden. Kurt Hessen erreichte 1928—1931 deren Wiederauf-
nahme für das Internationale Polarjahr 1932/33. Aber erst
von 1935 an unter Günther Böhnecke nahm das Obser-
vatorium einen neuen Aufschwung, bei Beschränkung auf
Gezeiten und als Stamminstitut des Marinewetterdienstes,
1941 wurde das Observatorium teilweise zerstört, bis 1945
nach Greifswald und in den letzten Kriegstagen nach Flens-
burg verlegt.
Erdmagnetismus
Bis zur Jahrhundertwende, ehe das Magnetische Obser-
vatorium Potsdam eröffnet wurde, spielte das Observatorium
Wilhelmshaven fast die Rolle einer Zentralanstalt. Als
erstes deutsches Institut nahm es Ende 1882 photographisch
registrierende Variometer in Betrieb. Börgen war Mitglied
der Deutschen Polarkommission 1882/83, alle Beobachtungen
deutscher Stationen wurden in Wilhelmshaven reduziert.
Börgens Mitarbeiter Max Eschenhagen übernahm 1889 die
Leitung des Potsdamer Instituts, nachdem von Wilhelms-
haven aus an zahlreichen Stellen Nord-, West- und Mittel-
deutschlands einer magnetischen Reichsvermessung vorge-
arbeitet war. Als Mitglied der Deutschen Südpolarkommis-
sion 1902/03 ermittelte Börgen selbst die magnetischen Eigen-
schaften der „Gauß“, Das Observatorium hatte über 1900
hinaus die Deviation aller in Wilhelmshaven stationierten
Schiffe zu bestimmen und führte verschiedene allgemeine
Untersuchungen betreffend den Magnetismus eiserner Schiffe
sowie die Auswirkungen elektrischer Bordanlagen aus. Aus
dem In- und Ausland wurde das Observatorium besucht und
um Rat gefragt, u.a. von Amundsen vor seiner Reise mit
der „Gjöa“, 1909 trat Friedrich Bidlingmaier als Erdma-
gnetiker ins Observatorium ein und sorgte besonders für
schnellere und zweckmäßigere Bekanntgabe der Beobach-
tungen. Das Erdmagnetische Observatorium Wingst, das
die Deutsche Seewarte 1938 eröffnete, setzt die Wilhelms-
havener Tradition fort. Es wurde 1945 vom DHI übernommen.
Meteorologie
Bis 1935 fungierte das Observatorium nur als Beobachtungs-
station der Deutschen Seewarte bzw. des Reichswetterdienstes.