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5.3 Stürme aus dem östlichen Sektor
Stürme aus dem östlichen Sektor (0 - NO) stellen eine besondere Gefahr für die westlichen
Ostseebecken dar.
a) Während ein stabiles Hochdrucksystem über Skandinavien liegt - häufig der Rücken
eines Hochs über Nordrussland - liegen die südlichen Becken im Einflussbereich einer
östlichen Luftströmung. Nähert sich von Südosteuropa oder Polen her ein Tiefdruckgebiet,
so bildet sich entlang des südlichen oder südöstlichen Rands dieses Tiefs ein steiler
Druckgradient. Infolge der oft quasi-stationären Lage des Hochdruckgebiets über
Nordosteuropa entwickelt sich über der südlichen Ostsee ein lang anhaltender SO-NO-
Sturm. Diese Windverhältnisse führen zu einem allmählichen Anstieg des Wasserstandes,
der in den westlichsten Teilen der südlichen Ostseebecken hohe Werte erreichen kann, z.B.
in den nach Nordosten hin offenen Mecklenburger und Wismarschen Buchten. Ein Beispiel
für diese Hochdrucklage über Skandinavien mit Ausdehnung nach Osten war die
meteorologische Situation am 12. Januar 1987, die zu einem lang anhaltenden Oststurm und
hohen Wasserständen führte, mit einem Höchststand von 673 cm am Pegel Wismar. Der
Windstau in den mittleren Küstenabschnitten und weiter östlich war wesentlich schwächer
ausgeprägt.
Es gibt östliche Wetterlagen, bei denen nur ein relativ kleiner Bereich der südlichen Ostsee
von dem Windfeld des aus südöstlicher Richtung heranziehenden Tiefs betroffen ist; das
sind vor allem die Lagen, bei denen das Hochdruckgebiet über Skandinavien nicht weit nach
Osten reicht. Ein sich bei Annäherung des Tiefs entwickelnder Sturm aus nördlicher bis
nordwestlicher Richtung wirkt sich hauptsächlich auf die östlichen und mittleren Abschnitte
der Küste aus. Nur in diesem Bereich der Küste steigt dann der Wasserstand, z.B. am 29.
November 1978, 18. Januar 1981 und 6. September 1992.
Die obige Aufgliederung typischer Luftdruckverhältnisse soll keine Klassifikation von
Wetterlagen entsprechend der Ähnlichkeit ihrer Auswirkungen auf die Ostseesüdküste
darstellen. Eine genaue Aufgliederung in dieser Weise ist unmöglich, weil sich die
meteorologischen Bedingungen in dem Gebiet fortwährend ändern und selbst in einem
begrenzten Gebiet wie der Ostsee keine zwei identischen Luftdrucklagen gefunden werden
können. Zusammenfassend kann man sagen, dass ungeachtet der Richtung des
heranziehenden Tiefdruckgebietes und der herrschenden Luftdrucklage die Reaktion des
Wasserstandes in einem bestimmten Küstenabschnitt von dessen morphometrischem
Zustand und der sich daraus ergebenden Auswirkung des Windes auf die küstennahen
Gewässer abhängt. Auflandiger Wind in jeder Form kann zu einem erheblichen Anstieg der
Wasserstände an der Küste führen, wenn er stark genug ist und eine ausreichende
Windstreichlänge hat; beide Faktoren können sich auf die Dauer des Sturmes auswirken.
Das Problem besteht darin, Schwellenwerte für die Faktoren festzulegen.
b) Bei einigen anderen stürmischen „Ostlagen“, vor allem dann, wenn das Hochdruckgebiet
über Skandinavien nicht weit nach Osten reicht, wirken sich die Windfelder der von Südost
oder Südwest nach Norden ziehenden Tiefdruckgebiete manchmal nur auf einen begrenzten
Bereich der südlichen Ostsee aus. Ein NO-NW-Sturm, der sich bei Annäherung eines
derartigen Tiefs entwickelt, entfaltet nach Westen hin seine Wirkung in der Regel nur bis zu
den mittleren Küstenabschnitten, wobei der Wasserstand meistens auch nur in diesen
Abschnitten ansteigt. Beispiele für derartige Sturmereignisse sind der 29. November 1978,
der 18. Januar 1981 und der 6. September 1992.