3 Physikalische Ozeanographie
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Nordseezustand 2003
3.4 Temperatur
Zunächst werden die Oberflächentemperaturen der Nordsee im Jahr 2003 dokumen
tiert und statistisch eingeordnet. Im Abschnitt 3.4.2, S. 71 wird der Regimecharakter der
Oberflächentemperaturen im Kontext atmosphärischer Zirkulationsänderungen disku
tiert. Im Anschluss werden Temperaturschichtung und Wärmeinhalt der Nordsee an
hand von Beobachtungen analysiert, die während der Gesamtaufnahme der Nordsee
mit FS Gauss im August 2003 angestellt wurden. Der Abschnitt wird beschlossen mit
einer Untersuchung der langfristigen Entwicklung des Wärmeinhalts (Modelldaten),
bei der das Regimephänomen erneut aufgegriffen und Beziehungen zu Oberflächen
temperatur und Nordatlantischer Oszillation betrachtet werden.
3.4.1 Oberflächentemperatur
Die Oberflächentemperaturen der Nordsee werden im BSH seit September 1968 wö
chentlich analysiert. Eine Beschreibung der Analysetechnik findet man in Loewe et
al. 2003. Inzwischen umfasst das Archiv etwa 1800 digitale Temperaturfelder, die auf
einem flächentreuen 20 sm-Gitter vorliegen. Der Datensatz dokumentiert nicht nur die
raum-zeitliche Entwicklung eines Schlüsselparameters des physikalischen Meereszu
stands in den vergangenen 35 Jahren; als Integrator des meteorologischen Antriebs
lässt sich die Meeresoberflächentemperatur auch zur Feststellung von Klimaänderun
gen in der Nordsee-Region nutzen.
Einen regional differenzierten Einblick in die monatlichen Abweichungen der Oberflä
chentemperaturen der Nordsee von den klimatologischen Verteilungen des Zeitraums
1971 - 1993 bietet Afafa. 3-74. Die moderate Kaltanomalie in der östlichen Nordsee hat
te bereits im Dezember 2002 ihren Flöhepunkt erreicht und war im März 2003 nahezu
vollständig abgebaut. Im Winterquartal (JFM) trat lediglich in der zentralen Nordsee
ein kleinräumiges deutlich zu warmes Gebiet (> 1 K) auf. Von April auf Mai wurde zu
nächst die nordwestliche, dann die westliche und südliche Nordsee von einer signifi
kanten Warmanomalie erfasst, die sich im Juni weiter verstärkte (> 2 K). Die Intensi
vierung der Warmanomalie setzte sich erst im August fort, als nahezu überall die lo
kalen 95 %-Perzentile überschritten wurden. Die Abkühlungsraten waren im
September und besonders im Oktober überdurchschnittlich hoch, führten aber erst im
November zu einer räumlichen Beschränkung der Warmanomalie auf die westliche
zentrale Nordsee (> 1 K). Im Dezember geriet die saisonale Abkühlung ins Stocken,
was diesen Monat zum wärmsten Dezember seit 1968 machte.
Aus den digitalen Analysen des Oberflächentemperaturfeldes wurde die Zeitserie der
Nordsee SST abgeleitet, die heute einen Beobachtungszeitraum von 36 Jahren ab
deckt. Das Jahr 2003 war mit 10.9 °C nach 2002 das zweitwärmste seit 1968. Nach
einem normalen Winter lagen die Monatsmitteltemperaturen seit Juni signifikant über
den Klimanormalwerten (Abb.3-15). Im August betrug die Abweichung 2.5 K. Die Mo
nate Juni bis September waren jeweils die zweitwärmsten in der Rangstatistik, der De
zember der wärmste seit Beginn der Beobachtungen. Aus den geographischen Ver
teilungen der monatlichen Anomalien in Abb. 3-14 ist ersichtlich, dass die Oberflächen
temperaturen nicht nur ganzjährig, sondern auch nahezu im gesamten Seegebiet
über der Klimanorm lagen. Seit 1988 waren 78 %, seit 1997 sogar 90 % aller Monate
wärmer als normal. Die bislang längste ununterbrochene Folge positiver Abweichun
gen setzte im Juli 2001 ein und dauert immer noch an (April 2005).