Nordseezustand 2003
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1 Einführung
Ein ganzheitliches Verständnis der Prozesse, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen
im System Nordsee ist erforderlich, um das Ausmaß menschlicher Eingriffe effektiv zu
kontrollieren, Schäden zu begrenzen und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Ein in diesem Sinn nützlicher Zustandsbericht darf sich nicht auf Zustandsdokumen
tation beschränken, sondern muss Zustandsveränderungen und -anomalien identifi
zieren und weitestmöglich aus dem Zusammenwirken der Systemelemente bzw. der
Funktionalität des Systems interpretieren und bewerten.
Der komplexe Systemzustand der Nordsee ist durch physikalische, chemische und
biologische Zustandsgrößen beschreibbar. Den physikalischen Zustand bestimmen
sieben Zustandsvariablen, die den Kern jedes hydrodynamischen Modells bilden: drei
Strömungskomponenten, Druck, Temperatur, Salzgehalt und Dichte. Beispiele für
chemische und biologische Zustandsvariablen sind Konzentrationen von Nährstoffen,
Schadstoffen, Schwebstoffen und Plankton.
Eine integrale Zustandsbewertung erfordert Kenntnisse über das zeitliche Verhalten
des Systems im Kontext von Prozessen, Wirkungsketten und Rückkopplungen. Sy
stematische und langfristige Beobachtungen und deren Umwandlung in nützliche In
formation durch Datenkompression, Filterung, Integration, Klassifizierung etc. sind
deshalb Grundvoraussetzung für belastbare Bewertungen. Beobachtungen sind je
doch nie flächendeckend oder zu jedem Zeitpunkt verfügbar. Für eine Vervollständi
gung der Zustandsanalyse werden deshalb auch numerische Modelle genutzt, die Be
ziehungen zwischen den diversen Zustandsvariablen realisieren.
Eine ganzheitliche Darstellung des vernetzten Zustands der Nordsee in einem linea
ren Text ist problematisch. Um die Notwendigkeit des Verweisens auf andere Berichts
teile zu begrenzen, ist der Aufbau so strukturiert, dass Vorwärtsverweise möglichst
vermieden werden. Ursache für die Veränderlichkeit des physikalischen Nordseezu
stands ist der variable atmosphärische Antrieb. Eine Rückwirkung des Meeres auf die
Atmosphäre wird vernachlässigt. Ebenso verhalten sich viele polare chemische Stoffe
gegenüber dem physikalischen Zustand passiv: Sie verteilen sich in Abhängigkeit
vom Strömungszustand, ohne selbst auf die Strömung Einfluss zu nehmen. Die Rich
tung der skizzierten Wirkungskette Atmosphärenphysik => Meeresphysik => Meeres
chemie spiegelt sich in der Abfolge der Kapitel.
Die vormalige Berichtszweiteilung in Nordsee und Deutsche Bucht wurde aufgege
ben; in den thematischen Unterkapiteln bleibt sie erhalten. Die Deutsche Bucht als
Subsystem der Nordsee wird jeweils im Anschluss an diese betrachtet, lokale Zeitse
rien werden gewöhnlich ans Ende gestellt.
Der Zustand der Atmosphäre hat erhebliche Bedeutung für den Zustand des Meeres
und dessen Verständnis. Der Bericht wurde deshalb um eine Analyse der Großwet
terlagen erweitert, die als Beiprodukt einen für die Nordseeregion repräsentativen
sog. »Nordseewind« liefert.
Im Abschnitt Meeresphysik werden die wichtigsten ozeanographischen Zustandsgrö
ßen diskutiert. Hinzugekommen sind Beiträge zu Wasserstand, saisonaler Eisbedek-
kung sowie zum Seegangsklima der gesamten Nordsee. Relevante integrale Größen
wie Einstrom und Wärmeinhalt wurden ebenfalls analysiert. Der Regimecharakter der
Nordseetemperatur, dem auch hinsichtlich der Artenzusammensetzung besondere