Nordsee und Deutsche Bucht 2002
BSH
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Die extreme Warmanomalie der Oberflächentemperaturen im August stand in ursächlichem
Zusammenhang mit blockierendem Hochdruck über Fennoskandien und der Umlenkung
nordatlantischer Tiefdruckstörungen nach Südeuropa. Das saisonale Temperaturmaximum
trat dadurch erst Ende August ein, also drei Wochen später als normal. Der anschließende
saisonale Temperaturrückgang verlief bis Oktober infolge des jetzt stark negativen NAO-
Index erheblich verlangsamt. Die ausbleibenden Herbststürme waren wesentliche Ursache
für die Persistenz der Warmanomalie mit Extremtemperaturen im September und Oktober
und für die Verschiebung des Zusammenbruchs der Temperaturschichtung auf den Spät
herbst.
2.3.3 Temperaturentwicklung seit 1968 und NAO
Die grundsätzliche Entwicklung der Oberflächentemperatur der Nordsee in den vergangenen
35 Jahren ist aus Abb. 2-9 ersichtlich, in der die räumlich gemittelten Monatstemperaturen
mit Abweichungen von der Klimabasisperiode 1971-1993 und zugehörigen Perzentilen dem
NAO-Index (Loewe und Koslowski 1998) in einer Pseudo-2D-Darstellung gegenübergestellt
sind. Zur Unterstreichung der Besonderheiten wurden alle Zeitserien einer 1-D Tiefpass
filterung unterzogen.
Die Perzentile beruhen auf der Z-Statistik standardisierter Anomalien (Standardeinheiten)
und ermöglichen eine objektive Bewertung anomaler Temperaturzustände (in K). Jede Reali
sierung z definiert eine Ordinate, welche die Fläche (=1) unter der Standardnormalverteilung
unterteilt. Das zugehörige Perzentil p gibt den relativen Flächenanteil links von z an und
indiziert so die Eintrittswahrscheinlichkeit oder Signifikanz des Ereignisses. Ein p-Wert < 1%
bzw. > 99% identifiziert demnach ein seltenes und extremes Kalt- bzw. Warmereignis, das
nur 1-mal in 100 Jahren erwartet wird.
Außergewöhnliche Anomalien traten Abb. 2-9 zufolge in den Wintern der Jahre 1970, 1979,
1985-87, 1989-90 und 1996 auf. Die Kaltanomalien unterlagen einem quasi-periodischen
Rhythmus von 8 Jahren, der sich durch eine entsprechende zyklische Komponente des
Winter NAO-Index plausibel erklären lässt (Loewe und Koslowski 1998). Interessant ist, dass
der positive Mode der NAO keine signifikante Spuren in der Temperaturgeschichte hinterließ.
Das Warmereignis von 1989-90 bildet die einzige Ausnahme und steht am Anfang einer bis
heute andauernden Warmphase, die in 2002 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Ein weiteres auffälliges Merkmal der historischen Temperaturentwicklung sind signifikante
Warmanomalien in den Herbstmonaten seit 1995. Diese unterliegen einer quasi-biennialen
Wiederholungstendenz (1995, 1997, 1999, 2002), die vielleicht in mittelbarem Zusammen
hang mit der quasi-biennialen Oszillation (QBO) der stratosphärischen Winde in den Tropen
steht (Loewe und Koslowski 1998). Tatsache ist, dass die NAO auch eine signifikante quasi
periodische Komponente von 2.3 Jahren enthält, die offenbar an Variationen des Azoren
hochs gebunden ist. Voraussetzung für die Herbstanomalien waren überdurchschnittliche
Erwärmungen im Hochsommer, zu denen es entweder durch blockierende Hochdrucklagen
über Skandinavien (2002) oder durch die Ausbildung einer Hochdruckbrücke zwischen Azo
ren und Nordosteuropa kam. Dass die Anomalien erst im Herbst und nicht bereits im Hoch
sommer als signifikant zu warm in Erscheinung traten, erklärt sich aus dem Umstand, das
die zwischenjährige Variabilität der Temperaturen im Herbst sehr gering, im Sommer hinge
gen recht groß ausfällt (vgl. Abb. 2-7). Die Langlebigkeit der Herbstanomalien resultierte
hingegen aus dem verspäteten Einsetzen der Herbststürme infolge negativer NAO-Zustände
{Abb. 2-9). In dieser Jahreszeit und unter den geschilderten Umständen besteht demnach
eine inverse Korrelation zwischen NAO und Temperatur.