HN 98 — 06-2014 — Forschung & Entwicklung 6 S-100 - Auf dem Weg zum Weltmodell Das universelle hydrographische Datenmodell der IHO Ein Beitrag von Mathias Jonas Kaum hatte vor zehn Jahren die weltweite ENC-Produktion so richtig begonnen, wurde beschlossen, den IHO-Datentransferstandard S-57 gründlich zu modernisieren. S-100 war geboren. Heute gilt der neue IHO-Standard als modernster verfügbarer Transpor ter für Geodäten. Mit S-100-kompatiblen Datensätzen lassen sich nun auch hydrogra phische Daten problemlos in das riesige Umfeld der raumbezogenen Anwendungen einfügen. Wichtigste Neuerung ist die »Registry«, eine Art Online-Aktenschrank, die es erlaubt, äußerst flexibel S-100 | S-57 | ENC | ECDIS | Elektronische Seekarte | E-Navigation | Datenmodell | Registry | Register ISO 19100 | Geospatial Information Registry | Marine Information Registry | UHDM auf neue Anforderun gen in puncto Struktur und Inhalt von Daten satzdefinitionen zu reagieren. Diese Funk tionalität soll einen grö ßeren interdisziplinären Nutzerkreis ansprechen - um hydrographische Daten mit z. B. ozeano- graphischen und me teorologischen Daten intelligenter als bisher verknüpfen zu können. Autor Dr. Mathias Jonas ist Vizepräsident des BSH und National Hydrographer. Außerdem ist er Vorsitzender des IHO-Standardisierungs- kommittees HSSC Kontakt unter: mathias.jonas@bsh.de 1 Elektronische Seekarten setzen sich durch Die Männer und Frauen auf dem Gruppenfoto der Jahrestagung des IHO Committee on Hydro graphie Regulrements and Information Standards (CHRIS) Im Sommer 2005 In Rostock schauen zu versichtlich drein. Sie sind sich der Bedeutung der soeben getroffenen Entscheidung, den IHO-Da- tentransferstandard S-57 In den kommenden Jah ren technisch grundlegend zu erneuern, offenbar bewusst, weswegen sie beschlossen haben, Ihn mit einer eingängigen Nummer als S-100 heraus zugeben - als sinnfälliges Zeichen für den Ände rungsumfang mit erweiterter Zweckbestimmung als universelles Datenmodell. Was zu diesem Zeit punkt als modernisierende Fortschreibung des Standards für die digitale Seekartographie ange legt war, hat sich nun - fast ein Jahrzehnt später - zu einem aussichtsreichen Kandidaten eines uni versellen Datenmodells für den gesamten mariti men Bereich entwickelt. Im Jahr 2005 war jedoch noch keineswegs aus gemacht, dass sich der Vorläuferstandard S-57 überhaupt global als Grundlage für alle digitalen amtlichen Seekarten - die ENCs - durchsetzen würde. Sowohl die Hydrographischen Dienste als auch die Hersteller von Navigationssystemen und letztlich auch die Nutzer hatten mit erhebli chen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Überfüh rung der Produktionsverfahren für Geodäten der zuständigen Hydrographischen Dienste von der analogen In die digitale Welt verlief schleppend; die nur selten angebotene Produktionssoftware arbeitete nicht fehlerfrei; um die Distribution und um die Verschlüsselung der Daten war Internati onal gerade eine heftige Kontroverse entbrannt. Dementsprechend wuchs die ENC-Überdeckung weltweit nur langsam; die Daten waren qualitativ zum Teil unzureichend und zu teuer; die Endge räte arbeiteten mitunter Instabil und Rasterdaten als digitale Faksimile der Papierkarten erfreuten sich einer weit größeren Akzeptanz als die In ENCs enthaltenen Vektordaten. Die Rufe nach einer Aus- rüstungspfllcht der Internationalen Seeschifffahrt mit einem amtlichen elektronischen Seekarten system - dem mit ENCs arbeitenden sogenannten ECDIS (Electronic Chart Display and Information System) - waren dementsprechend verhalten. Der überwiegende Marktanteil bei der Ausstattung elektronischer Seekartensysteme lag bei den An bietern privater Seekartendaten. 2014 zeigt sich ein verändertes Bild: Alle Indus triestaaten mit schiffbaren Territorialgewässern stellen regelmäßig ENCs her; viele Schwellenlän der sind Inzwischen hinzugekommen und die kar tographisch >welßen Flecken< beschränken sich Im Wesentlichen auf die Krisenregionen wie zum Bei spiel am Horn von Afrika. Die IHO konnte den Mit gliedsstaaten der Weitschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (IMO) bereits Im Jahr 2010 mel den, dass die Überdeckung mit ENCs etwa dem Umfang des weltweit verfügbaren gedruckten Seekartenwerks entspricht und dass für den über wiegenden Anteil der weltweit verfügbaren ca. 12 000 ENCs regelmäßig Aktualisierungen bereit gestellt werden (Abb. 1). Dieser enorme Fortschritt war für die IMO letztendlich ausschlaggebend, die ECDIS-Ausrüstungspfllcht für die Internationale Schifffahrt einzuführen, die 2012 für neu gebaute Tanker und Fahrgastschiffe eingesetzt hat und bis 2018 alle wesentlichen Schiffsklassen der In Fahrt befindlichen Tonnage erfassen wird. 2 S-57: Globale Standardisierung für global agierende Nutzer Ein wichtiger Anteil an der Schaffung einer glo bal standardisierten Datenbasis hydrographischer Daten für die Navigation In der Seeschifffahrt ge bührt dem IHO-Standard S-57, dessen Wurzeln In einem In Hamburg unter Mitwirkung des dama ligen Schifffahrtsinstitutes SUSAN und des BSH durchgeführten Forschungsprojektes Anfang der neunziger Jahre liegen. Mit S-57 hat die Hydrogra phie damit schon früh auf GIS-Konzepte gesetzt, die erst ein Jahrzehnt später erfolgreich Im Land bereich eingeführt wurden: • Vektordaten, deren geometrische Elemente Punkte, Linien und Flächen sind, • topologisch geschlossene Beschreibung von Flächen,