2 Atmosphärenphysik 
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System Nordsee 
2.1 Einführung 
Die Atmosphäre ist der Motor, der die Entwicklung des ozeanographischen Zustands 
der Nordsee wesentlich antreibt und steuert. Besonderheiten und Anomalien der at 
mosphärischen Zirkulation stehen vielfach am Anfang von Wirkungsketten, die sich 
über ozeanographische Zustandsvariablen, Verteilungsmuster von Schad- und Nähr 
stoffen bis hin zu biologischen Phänomenen wie Planktonblüten oder Veränderungen 
in der Artenzusammensetzung erstrecken. 
Die Interpretation ozeanographischer Zustandsanomalien setzt also Kenntnisse über 
den Zustand der Atmosphäre voraus, welcher maßgeblich durch die großräumige at 
mosphärische Zirkulation bestimmt ist. Der Zirkulationszustand selbst wird hier aus 
differenzierten Analysen der großräumigen Luftdruckverteilung über der Nordsee ab 
geleitet. Nahezu allen hier präsentierten Befunden liegen Luftdruckfelder im Meeres 
niveau zugrunde. Die Umstellung der primären Datenbasis auf NCEP/NCAR Reana- 
lysen stellt deshalb eine der wichtigsten Neuerungen dar. 
Ein Schwerpunkt des Kapitels besteht in der Untersuchung der Wetterlagen über der 
Nordsee. Diese beruhen auf einer Klassifizierung der täglichen Luftdruckfelder und 
werden zusammen mit gleichzeitig identifizierten Sturmereignissen als Wetterlagen 
kalender dokumentiert. Anhand eines von 27 auf 6 Hauptwetterlagen reduzierten Sets 
von Zirkulationszuständen werden monatliche, saisonale und jährliche Häufigkeits 
statistiken diskutiert. Weitergehende Untersuchungen betreffen die Lebensdauern der 
reduzierten Wetterlagen, die sich in guter Näherung als geometrisch verteilt erweisen, 
so dass sich die Wetterlagenentwicklung von Tag zu Tag als Zustandsänderung einer 
Markovkette interpretieren lässt. 
Die geographischen Verteilungen der monatlichen und saisonalen Luftdruckfelder der 
Jahre 2006 und 2007 werden mit entsprechenden Luftdruckklimatologien verglichen, 
um zugehörige Zirkulationsanomalien zu identifizieren und zu bewerten. Für die ge 
nannten längeren Zeitskalen stellen diese Felder jeweils aktuelle, typische und ab 
weichende mittlere Wetterlagen oder Witterungslagen dar, die sich in gleicher Weise 
wie die täglichen Felder klassifizieren lassen. Die im Prinzip beliebige Entstehungs 
geschichte dieser mittleren Zirkulationsstände bleibt hier anhand der Wetterlagenka 
lender nachvollziehbar. 
Weitere Schwerpunkte des Kapitels bestehen in der statistischen Analyse des für die 
Region Nordsee repräsentativen >Nordseewindes<, der als Beiprodukt der Wetterla 
genklassifizierung anfällt, sowie des Sturmaufkommens im Nordseeraum. Die Um 
stellung auf NCEP/NCAR Luftdruckfelder machte Anpassungsarbeiten hinsichtlich 
der Sturmquantile des Sturmidentifizierungsverfahrens erforderlich, die ebenfalls do 
kumentiert sind. Ein relevantes Teilergebnis - der verwendete Sturmindex folgt einer 
Pareto-Typ-2 Verteilung - beinhaltet, dass Wind- und Rotationsgeschwindigkeiten in 
Stürmen nicht beliebig groß, sondern in der Höhe beschränkt sind. 
Der Nutzen der über die allgemeine atmosphärische Zirkulation gewonnenen Kennt 
nisse wird schließlich im Rahmen der Interpretation von Jahresgängen der Sonnen 
einstrahlung sowie der Lufttemperatur demonstriert. Atmosphärischen Ursachen für 
Zustandsanomalien ozeanographischer oder chemischer Variablen wird ggf. im Rah 
men der Diskussion der jeweiligen Zustandsgröße Rechnung getragen. 
Zusammenfassungen der jeweiligen Hauptkapitel findet der Leser gesammelt in 
Kap. 2.8, S. 106.