System Nordsee 
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2.2 Nordatlantische Oszillation 
2.2.1 Bedeutung und Einfluss 
Die Nordatlantische Oszillation (NAO) leistet einen herausragenden Beitrag zur at 
mosphärischen Variabilität in der nördlichen Hemisphäre. Als meridionale Luftmas 
senschaukel bestimmt sie den Druckunterschied zwischen den atmosphärischen Ak 
tionszentren - Islandtief und Azorenhoch - und damit Stärke und Richtung der 
Zonalzirkulation im Nordatlantik. Insbesondere in der kalten Jahreszeit, wenn das Is 
landtief die dominante Komponente des gekoppelten Oszillators darstellt, kann die 
Fernwirkung der NAO von Zentral-Nordamerika bis in den Ural reichen. Die NAO bildet 
gemeinsam mit dem ENSO-Phänomen, dessen atmosphärischer Komponente 
(Southern Oscillation) sie direkt vergleichbar ist, und der NPO/ PDO im Nordpazifik 
ein den Globus umspannendes Oszillationssystem, das Wetter und Klima entschei 
dend prägt (Schwing et al. 2003, Melo-Gonqalves et al. 2005, Toniazzo und Scai- 
FE 2006, TSONIS ET AL. 2007). 
Dies vorausgeschickt, ist es wenig erstaunlich, dass die NAO in einer Vielzahl von Stu 
dien zur Erklärung der Variabilität verschiedenster Naturerscheinungen in der Nordhe 
misphäre herangezogen wird (Marshall et al. 2001, Hurrell 2003). Obwohl viele 
andere Faktoren im Netzwerk der Wechselwirkungen Einfluss nehmen, ist die NAO oft 
als wichtigste Einzelgröße für einen hohen Anteil der Variabilität der diversen Beob 
achtungsgrößen verantwortlich. Auch die atmosphärische Variabilität über der Nord 
see wird in der kalten Jahreszeit von der NAO dominiert. Die Abhängigkeit der ozea- 
nographischen Zustandsgrößen (Strömung, Temperatur, Salzgehalt) hinsichtlich 
Muster und Intensität vom atmosphärischen Antrieb zeigt sich folgerichtig im Winter in 
statistischen Zusammenhängen zwischen diesen Variablen und dem Zustand der 
NAO. Für nicht-hydrographische, speziell bio-ökologische Zustandsgrößen des Sys 
tems Nordsee sind mittelbare, auch zeitverzögerte Zusammenhänge zur NAO über 
hydro- und thermodynamische Prozesse möglich. 
Angesichts dieser Schlüsselrolle der NAO wird leicht vergessen, dass die Stärke sol 
cher Zusammenhänge keineswegs stationär bzw. zeitinvariant ist und zeitweilig sogar 
entkoppelte Entwicklungen der abhängigen Variablen beobachtet wurden und werden. 
Beispiele hierfür sind die eingebrochene Korrelation mit der Sturmhäufigkeit in der 
Nordseeregion (Abschnitt2.6.2, 5. 64) und die Unabhängigkeit der Nordseetemperatu 
ren vom NAO-Zustand seit Mitte der 1990er Jahre (Abschnitt3.5.5, S. 126). 
Die nachfolgenden Abschnitte beschäftigen sich nicht mit derartigen Zusammen 
hangsanalysen, sondern mit dem NAO-Index als Maß des NAO-Zustands sowie dem 
Oszillationscharakter der NAO. 
2.2.2 NAO-Zustand 2005 
Als einfaches quantitatives Maß des Schwingungszustands der NAO ist der klassi 
sche NAO-Index die Differenz standardisierter Luftdruckanomalien an zwei meteoro 
logischen Stationen in den atmosphärischen Aktionszentren. Ein positiver Index steht 
für einen anomal starkes Druckgefälle vom Azorenhoch zum Islandtief und entspre 
chend starke (geostrophische) Westwinde. Ein stark negativer Index kann eine Umpo 
lung des Druckgefälles (»Azorentief« und »Islandhoch«) und demzufolge starke Ost 
winde bedeuten - wie etwa im Winter 1963, während moderat negative Indizes eine