4 Meereschemie 190 Nordseezustand 2004 Das Nuklid 99 Tc (Halbwertszeit 210 000 Jahre) reichert sich beispielsweise mit einem Faktor > 10 5 (gegenüber der Volumenaktivität im Meerwasser) in Braunalgen, wie Bla sentang oder Sägezahntang aber auch Hummer an, während der Anreicherungsfaktor für das dosisrelevante Nuklid 137 Cs (Halbwertszeit 30 Jahre) in Meeresfischen nur etwa 100 beträgt (IAEA 1985, Aarkrog et al. 1994, Nies und Kanisch 2002). Tritium hingegen, das auch auf natürliche Weise durch kosmische Höhenstrahlung entsteht, wird in Biota praktisch nicht angereichert. Die Überwachung künstlicher Radioaktivität durch das BSH erstreckt sich in der Nord see seit Jahren schwerpunktmäßig auf die Nuklide Tritium, 99 Tc, 137 Cs, 90 Sr und eini ge Transurane 1 ( 238 Pu, 239 Pu, 240 Pu, 241 Am und 244 Cm) (Nies und Herrmann 2005). Diese Nuklide zeichnen sich durch eine hohe Isobarenausbeute bei der Spaltung oder Neutronenaktivierung der Kernbrennstoffe 235 Uran und 239 Pu aus und gelten als radi ologisch relevant für eine mögliche Strahlenexposition des Menschen über den Mee respfad. Aus technischen Gründen konnten im Jahr 2004 Aktivitätsmessungen für Tri tium und 99 Tc nicht durchgeführt werden. Die Kontamination des Meerwassers wird als Volumenaktivität o. a. Aktivitätskonzen tration in Bq/m 3 angegeben, wobei >Becquerel< für die Anzahl der Nuklidumwandlun gen oder Kernzerfälle pro Sekunde steht. Dieses Aktivitätsmaß ist den vom Wetter dienst gemessenen Niederschlagsraten vergleichbar. So wenig, wie sich aus diesen ohne weiteres die »Durchnässung« der Bevölkerung ergibt, folgt aus jenen die radio aktive Belastung von Flora, Fauna oder Mensch. Einige ergänzende Bemerkungen zur Strahlenwirkung finden sich in Tafel4-8. 4.4.2 Quellen künstlicher Radionuklide Die atmosphärischen Kernwaffentests der 1950er und 1960er Jahre führten über radi oaktive Niederschläge (Fallout) zu einer globalen Kontamination mit künstlichen Radi onukliden. Die Aktivitätsverteilung dieser Nuklide im Oberflächenwasser des Nordat lantik stellt für die Nordsee eine Vorbelastung bzw. Hintergrundkonzentration dar, die hier durch andere regionale Belastungsquellen überlagert und verstärkt wird. So dominierten mit Beginn der 1970er Jahre die kontrollierten und genehmigten Ab leitungen radioaktiver Abwässer der europäischen Wiederaufarbeitungsanlagen für Kernbrennstoffe, La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien), die Aktivitäts konzentrationen künstlicher Radionuklide in der Nordsee. Die Kontaminationen der Iri schen See (Sellafield) bzw. des Kanals werden mit den Meeresströmungen in andere Meeresgebiete verfrachtet und erreichen die Nordsee über die nordwestliche Öffnung zum Atlantik (Sellafield) bzw. über die Straße von Dover. Die Transportzeiten von La Hague bzw. Sellafield bis in die Deutsche Bucht belaufen sich auf etwa ein bzw. drei Jahre, weshalb nur langlebige Radionuklide mit Halbwertszeiten > 1 Jahr von Interes se sind (Bailly du Bois und Dumas 2005). Internationale Anstrengungen - z. B. im Rahmen des Oslo/Paris-Übereinkommens (www.ospar.org) - haben bewirkt, dass die in den 1970er Jahren sehr hohen Einlei tungen beider Wiederaufbereitungsanlagen kontinuierlich reduziert wurden. Das Meerwasser der Nordsee ist deshalb inzwischen nur sehr gering durch künstliche Ra dionuklide belastet. 7. Transurane stehen im Periodensystem oberhalb des schwersten natürlichen Elements - g2 Uran.