3.4 Temperatur 
Nordseezustand 2003 
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Das auffälligste und vielleicht wichtigste Merkmal der SST-Anomalien ist ihr Regime 
charakter, d. h. die Persistenz positiver aber auch negativer Abweichungen von den 
Normalwerten über ausgedehnte Zeiträume. Dem gegenwärtigen Warmregime im 
oberen Teil der Abb. 3-18 ging ein Kaltregime voraus, das vergleichbar dauerhaft war 
und wiederum ein moderates Warmregime mitte der 1970er Jahre ablöste. 
Unter der offensichtlich vernünftigen Annahme, dass im Beobachtungszeitraum drei 
Regimes auftraten, lässt sich deren jeweilige Andauer durch Maximierung von 
ElAiRj)! bestimmen. Mit A(Rj) als mittlerer Anomalie im Regime i liefert das Verfahren 
max ZI A < R i)| = 0.24 + 0.36 + 0.51 = 1.11 K 
und für die Andauer des Kaltregimes: Dezember 1976 - August 1987. 
Das augenblickliche Abbrechen und Anbrechen benachbarter Regimes erscheint im 
Vergleich mit den tatsächlichen, kurzfristigen Regimeübergängen nicht als unerträgli 
che Idealisierung. Jedenfalls ist keine graduelle oder sogar lineare Entwicklung der 
SST bzw. der SST-Anomalien erkennbar. Stattdessen beobachtet man irreguläre 
Fluktuationen um unterscheidbare quasi-stabile Zustände oder Niveaus - nämlich 
A^), A(R 2 ) und A(R 3 ) - und spontane Sprünge zwischen diesen unterschiedlichen 
Anregungszuständen. 
Anhand der SST-Zeitserie von Helgoland Reede ist nachvollziehbar, dass sich das ge 
schilderte Abwechseln von Kalt- und Warmregimes seit mindestens 130 Jahren voll 
zieht. Das rezente Warmregime ist danach das intensivste und langlebigste seit den 
1870er Jahren. Die Jahre 2002 und 2003 sind vorläufig das wärmste bzw. zweitwärm 
ste seit Beginn der Nordsee-SST-Analysen 1968. 
3.4.2.2 Hybrides Windklima 
Die besondere geographische Lage der Nordsee auf dem nordwesteuropäischen 
Schelf - und damit im Grenzgebiet des weiten Atlantischen Ozeans und der größten 
Landmasse der Erde - macht sie zu einer Region, in der alle wichtigeren Luftmassen 
mit den jeweiligen Oberflächeneigenschaften ihrer maritimen oder kontinentalen Prä 
gungsgebiete um Einfluss konkurrieren. Eines der wichtigsten Charakteristika dieser 
Luftmassen ist ihre Temperatur, die sich aufgrund der extrem hohen Wärmekapazität 
von Wasser im Vergleich zu Fels oder Erdboden sehr verschieden einstellt. Maritime 
Klimata zeichnen sich dabei durch milde Winter, kühle Sommer und einen flachen sai 
sonalen Temperaturgang aus, während Kontinentalklimata durch kalte Winter, heiße 
Sommer und eine hohe Amplitude des Jahresgangs gekennzeichnet sind (vgl. 
Abb. 3-17, S. 71). 
Hätte sich Wladimir Koppen auch mit der klimatischen Klassifizierung von Meeresge 
bieten befasst, dann hätte er der Nordsee vermutlich den Typ >Cfb< zugeordnet, der 
für ein mäßig warmes (maritim), dauernd feuchtes Klima steht. Dieser Typ würde die 
Tatsache reflektieren, dass die Umverteilung von Wärme in mittleren Breiten durch 
ostwärts wandernde Wellen und Wirbel bewerkstelligt wird, welche eine Vorherrschaft 
von Winden aus NW- bis SW-lichen Richtungen bedingen. Wenngleich dies grund 
sätzlich sicher zutreffend ist, darf man nicht außer Acht lassen, dass die atmosphäri 
sche Zirkulation in mittleren Breiten auf allen Zeitskalen hochvariabel ist, so dass star 
ke Abweichungen von den mittleren meteorologischen Zustandsvariablen (Wind, 
Temperatur etc.) keine Seltenheit sind.