14 BSH Ozeanographischer Zustandsbericht sehen Wassers mit Salzgehalten über 35, andererseits durch die erheblichen Süßwas sereinträge der Flüsse und den salzarmen Ausstrom aus der Ostsee gekennzeichnet. Der Süßwassereintrag durch Niederschlag über der Nordsee wird weitgehend durch die Verdun stung kompensiert. Der Nordatlantik übt insgesamt einen dämpfenden Einfluss auf die Nordsee aus. So beträgt die Amplitude der jährlichen Temperaturwelle in der durchmischten Deckschicht am Nordein gang etwa 2.5 °C, in der Deutschen Bucht dagegen mehr als 7.5 °C (Becker 1981). In der Nordsee bildet sich in der Zeit zwischen April/Mai und September/Oktober eine permanente Temperatursprungschicht, die die durchmischte Bodenwasserschicht von der durchmischten Deckschicht trennt. Die Amplitude der Jahreswelle der Temperatur in Bodennähe beträgt in der zentralen und nördlichen Nordsee weniger als 1 °C. Zwischen dem vertikal durchmisch ten und dem geschichteten Wasser bilden sich Frontalzonen, Gebiete starker horizontaler Gradienten der Temperatur, die als tidal mixing fronts (Pingree et al. 1978) bezeichnet wer den und in Satellitenbildern gut sichtbar sind. Die Nordsee unterliegt einer starken zwischenjährigen Variabilität, die vor allem durch den Atlantik gesteuert wird. Während die Wärmebilanz überwiegend durch die lokalen Strahlungs- und Wärmeflusskomponenten atmosphärisch beeinflusst wird, werden die Salz- und Nährstoffbilanzen von der Advektion aus dem Atlantik dominiert. 2.1 Atmosphäre Die Nordatlantische Oszillation (NAO) ist in einer Vielzahl von Studien zur Erklärung der Variabilität verschiedenster Naturerscheinungen in der Nordhemisphäre herangezogen wor den (Marshall et al. 2001, Hurrel 2003). Obwohl viele andere Faktoren im Netzwerk der Wechselwirkungen Einfluss nehmen, ist die NAO oft als wichtigste Einzelgröße für einen hohen Anteil der Variabilität diverser Beobachtungsgrößen verantwortlich. Auch die atmo sphärische Variabilität über der Nordsee wird in der kühleren Jahreszeit von der NAO domi niert. Die Abhängigkeit der hydrographischen Zustandsgrößen (Strömung, Temperatur, Salz gehalt) vom atmosphärischen Antrieb zeigt sich folgerichtig im Winter in einer nachweisbaren Abhängigkeit dieser Parameter in Muster und Intensität vom Zustand der NAO. Für andere nicht-hydrographische Zustandsgrößen der Wassersphäre sind mittelbare, auch zeitverzö gerte Zusammenhänge zur NAO über hydro- und thermodynamische Prozesse möglich. Der exponentielle Anstieg von NAO-Veröffentlichungen in den vergangenen zehn oder zwan zig Jahren ging mit einer Popularisierung der Thematik einher, die kaum hinter derjenigen des El-Nino Phänomens zurücksteht. Die Aufdeckung von NAO-Zusammenhängen aller Art, unter hohem Publikationsdruck und als akademischer Volkssport, hat nicht selten übereilte Schlussfolgerungen produziert, die sich sonderbarerweise bevorzugt im Allgemeinwissen festsetzen, und zu einer Begriffsverwirrung beigetragen, die bereits beim Genus der NAO beginnt. Der NAO belegt nicht nur die grassierende Verhunzung der deutschen Sprache, sondern zeugt, falls der NAO-Index gemeint ist, manchmal auch von Ignoranz gegenüber der Tatsache, das der-einzige oder universelle - NAO-Index nicht existiert. Diese Umstände, vor allem aber die schon angedeutete Relevanz des Phänomens NAO für die Nordsee, rechtfertigen die hier gebotene grundlegende Darstellung, deren besonderes Anliegen, über die Präsentation relevanter aktueller Arbeitsergebnisse hinaus, in einer Verklarung von Begrifflichkeiten sowie im Aufzeigen der definitiv begrenzten Tauglichkeit der NAO als Generalschlüssel zum Verständnis der Welt besteht. Der Abschnitt Atmosphäre beschränkt sich inhaltlich auf die NAO, obgleich sich der atmo sphärische Einfluss auf die Nordsee natürlich nicht in der NAO erschöpft. Darüber hinaus gehende meteorologische Beiträge - etwa objektive Zirkulationsstatistiken, wie sie von der Climate Research Unit der University of East Anglia (CRUUEA) für Großbritannien, oder vom