Zusammenfassung
Im nördlichen Nordatlantik ist es mit den hydrographischen Daten von sieben Realisierungen des
sogenannten “48°N”-Schnitts, der das Seegebiet zwischen dem Englischen Kanal und den Neufund
landbänken vollständig erfasst, erstmals möglich, niederfrequente, klimarelevante Änderungen der
großkaligen Zirkulation und deren integrale Kenngrößen, wie die advektiven Transporte von Masse
(Volumen), Wärme und Süßwasser, alleine an Hand von hydrographischen Beobachtungen zu be
schreiben und zu quantifzieren.
Der analysierte Datensatz besteht aus fünf Realisierungen des - im World Ocean Circulation Ex
periment (WOCE) als A2 bezeichneten - transatlantischen Schnittes in den Jahren 1993, 1994, 1996,
1997 und 1998 und aus zwei früheren Aufnahmen im April der Jahre 1957 und 1982. Die Realisie
rungen in den 90er-Jahren wurden zur gleichen Jahreszeit durchgeführt (Mai-Juli) mit Ausnahme
der Reise im Oktober 1994. Der WOCE-Schnitt A2 liegt in der Divergenzzone des nordatlantischen
windgetriebenen Subtropen- und des, hinsichtlich des Antriebs, komplexeren Subpolarwirbels. Im zen
tralen Neufundland- und Westeuropäischen Becken verläuft er einige Grad südlich des Nulldurchgangs
der z-Komponente der Rotation des Windschubs (curl 2 f). Im Westen quert der WOCE-Schnitt A2
die Hauptstromachse des Randstromsystems senkrecht. Dieser quasi-zonale hydrographische Schnitt
erfasst demnach alle wesentlichen großskaligen Zirkulationselemente im nördlichen Nordatlantik, die
einen bedeutenden Beitrag zur Ozeanzirkulation auf der globalen Skala - der meridionalen Overtur-
ningzirkulation (MOC) - liefern.
Der absolute Transport entspricht der Summe der drei Antriebsterme einer quasi-stationären, groß
skaligen Strömung - der ageostrophischen Ekman-Komponente und den zwei geostrophischen Kom
ponenten: der tiefenunabhängigen, barotropen oder Sverdrup- und der baroklinen Komponente. Jeder
dieser drei Komponenten steht eine kompensierende gegenüber, um den Erhalt sowohl jeder einzel
nen Komponente als auch der Masse über den gesamten Schnitt zu gewährleisten. Die Balance der
baroklinen Komponente wird durch die geeignete Wahl eines Referenzniveaus erreicht. Die absolute
meridionale Geschwindigkeit als Funktion der geographischen Länge und der Tiefe setzt sich damit
an jedem Punkt des Flächenintegrals des Massentransports aus den drei Antriebstermen bzw. deren
kompensierenden Komponenten zusammen.
Die beobachteten Änderungen der abgeschätzten Wärmetransporte scheinen Änderungen des NAO-
Index mit einer zeitlichen Verzögerung von ungefähr einem Jahr widerzuspiegeln. Sowohl die Trans
porte während WOCE, als auch die Beträge der beiden früheren Reisen geben dieses Verhalten wieder.
Der Wärmetransport geht von 0.70 PW im Mai 1996 nur ein Jahr später auf 0.30 PW zurück und
folgt damit der Abnahme des NAO-Index zwischen den Wintern 1995 und 1996. Danach zeigt der
NAO-Index wieder positive Werte und der Wärmetransport erreicht im Sommer 1998 einen Wert von
0.60 PW. Für die Phasenverschiebung von einem Jahr erklären die Änderungen des NAO-Index 70%
der Änderungen des Wärme-, 65% des Süßwassertransports und 60% der meridionalen Overturningra
te - der Transport des oberen Astes der MOC. Obwohl keine statistische Absicherung der Ergebnisse
aufgrund der geringen Anzahl hydrographischer Aufnahmen möglich ist, scheint dieses Verhalten der
Transportgrößen ein erster Indikator für die schnelle Reaktion der großskaligen Ozeanzirkulation auf
fluktuierende atmosphärische Antriebsfelder zu sein. Die “dynamische Reaktion” ist entlang A2 be
sonders deutlich im zentralen Neufundlandbecken zu erkennen.
Die barokline Komponente des absoluten meridionalen Wärmetransports ist hauptsächlich für die
beobachteten zeitlichen Änderungen entlang A2 verantwortlich. Beträgsänderungen der zwei wind
getriebenen Komponenten erklären nur 30% der gesamten Änderungen. Die barokline Komponente
liefert einen Beitrag von mehr als 80% zum absoluten Wärmetransport, wovon 20% auf die mesoskalige
Variabilität der Eddies zurückzuführen sind. Diese ist unabhängig von der Wahl des Referenzniveaus
und scheint für die großskalige Zirkulation entlang A2 dynamisch relevant zu sein.
Die Position des Nulldurchgangs des curLr variiert in Abhängigkeit von dem NAO-Index. Seine Ver
lagerung verursacht eine Deformation und/oder eine Beschleunigung des Subpolarwirbels, was zur
Ausbildung von Mäandern des Nordatlantischen Stroms, baroklinen Instabilitäten oder der Wechsel
wirkung von Rossby-Wellen mit der mittleren Strömung führt, also letztendlich zu mesoskaliger hydro
graphischer Variabilität. Offen bleibt jedoch die Frage, welcher dieser Mechanismen den hauptsächli
chen Anteil der beobachteten Änderungen entlang des WOCE-Schnitts A2 stellt.