Einleitung
Vor dem Reaktorunfall in Tschernobyl wurde die Konzentration an
künstlichen Radionukliden in der Nordsee im wesentlichen durch die
Einleitung der Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague
(Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) beeinflußt. In die Ost-
see wurden diese Radionuklide nur zu einem geringen Teil durch be-
sondere Wetterlagen und hydrographische Bedingungen verfrachtet, so
daß das radioaktive Inventar der Ostsee durch den Kernwaffen-Fallout
der sechziger Jahre bestimmt war.
Die Ostsee ist durch ihre im Vergleich zur Nordsee sehr viel längere
Wasser-Erneuerungszeit als ein für Umweltverschmutzungen weniger be-
lastbares Meer zu betrachten. Bei den weiteren Überwachungsaufgaben
des DHI ist diese Eigenschaft zu berücksichtigen.
Der Unfall von Tschernobyl hat das Inventar der Umwelt an künstli-
chen Radionukliden erheblich erhöht und verändert. Deshalb wurde es
auch im Meeresbereich notwendig, neben der Untersuchung auf mög-
liche unmittelbare Gefährdungsquellen eine Übersicht über die Radio-
aktivitätsverteilung im Meer zu erstellen, um Aussagen über langfri-
stige Wirkungen treffen zu können.
Im folgenden Bericht sollen die wesentlichen Untersuchungsergebnisse
der ersten Wochen und Monate nach dem Unfall dargestellt und inter-
pretiert werden. Die bis zum Jahresende 1986 ermittelten Meßdaten
erlauben eine erste Bewertung der Auswirkungen auf den Meeresbereich
von Nord- und Ostsee,
Übersicht über die durchgeführten Messungen
Der Eintrag des Fallout von Tschernobyl in das Meer erfolgte zu-
nächst über die Atmosphäre, wodurch eine großflächige und zeit-
gleiche Überwachung erforderlich wurde. Nach Bekanntwerden des
Unfalls entnahm daher das DHI vorsorglich an mehreren Positionen in
Nord- und Ostsee Wasserproben, um sie schnellstmöglich auf radioak-
tive Kontamination zu untersuchen. Gleichzeitig durchgeführte Aero-
soluntersuchungen in Hamburg ergaben Aufschluß über den Zeitpunkt
des Eintreffens der radioaktiven Wolke und über die Nuklidzusammen*
setzung.
Das radiologische Meßnetz des DHI lieferte die ersten Informationen
über radioaktive Niederschläge in das Meer. Ab diesem Zeitpunkt wur-
den an verschiedenen Meßnetzstationen in Nord- und Ostsee in kürze-
cen Zeitabständen Wasserproben entnommen, die im Labor in Hamburg
zunächst durch Messung der Brutto-Gammastrahlung nach Stärke der
Rontamination eingestuft wurden. Höher kontaminierte Proben wurden
daraufhin gammaspektroskopisch auf ihre Nuklidzusammensetzung unter-
sucht. Durch starke Verdünnung und Vermischung mit tieferen Wasser-
schichten im Meer nahm die Radioaktivitätskonzentration schnell ab.
Deshalb war wenige Tage nach dem Eintrag eine gammaspektroskopische