Jahresbericht Nr. 23/1968
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Ein hundertjähriges Jubiläum ist nicht nur An
laß, sich mit der Geschichte des Jubilars zu be
schäftigen. Баз ist, auch soweit das Deutsche Hydro
graphische Institut in Betracht kommt, bereits aus- -
führlich in zahlreichen Veröffentlichungen geschehen.
Ein solches Jubiläum ist auch der Anlaß, sich das
Erreichte zu vergegenwärtigen und in die Zukunft zu
blicken.
Welche Aufgaben hat das Deutsche Hydrographische
Institut heute?
Der Rundfunk verbreitet täglich die Voraussagen
der Wasserstände an den deutschen Küsten und bei
drohenden Sturmfluten die Sturmflutwamungen des Deut
schen Hydrographischen Instituts, die so früh ausge
strahlt werden, daß rechtzeitig Abwehrmaßnahmen ge
troffen werden können. Sie wissen gerade hier in Ham
burg, daß bei der großen Sturmflut im Februar 1962
das DHI in Zusammenarbeit mit dem Seewetteramt viele
Stunden vorher das Ausmaß der zu erwartenden Blut
vorausgesagt hatte.
Aber wer weiß schon, daß auch die Zeitzeichen
für die Schiffahrt zur Schiffsortbestimmung und die
Zeitzeichen, die wir täglich im Fernsehen und Rund
funk wahrnehmen, ebenfalls vom DHI kommen, und daß
von hier auch die Uhren der Bundesbahn gesteuert wer
den? Und wer weiß schon, daß der Zeitdienst des DHI
täglich Zeitzeichen von großer Genauigkeit ausstrahlt
und daß das DHI schließlich an der Feststellung der
genauen Zeit mitwirkt, die notwendig ist, um wissen
schaftliche Probleme in Gegenwart und Zukunft zu lö
sen, insbesondere um die Vorgänge bei den periodi
schen und langfristigen Veränderungen der Längen und
Breiten auf der Erdoberfläche zu bestimmen?
Nach dem Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf
dem Gebiet der Seeschiffahrt vom 24. Mai 1965 hat das
DHI außerdem die Seeräume zu vermessen, Seekarten
herzustellen, die Häfen, Fahrwasser, Küsten, Naviga
tionshilfen und Nachrichtenmittel für die Schiffahrt
in Handbüchern zu beschreiben, die für Schiffahrt
und Fischerei bedeutsamen Naturverhältnisse darzustel
len, ihre Erscheinungsformen vorherzusagen oder vor-
auszuberechnen, nautisch wichtige Nachrichten gedruckt
oder drahtlos zu verbreiten und die an Bord benutzten
nautischen Instrumente zu prüfen. Das umfaßt geodäti
sche, astronomische, geophysikalische, geologische,
physikalische, chemische und technische Arbeiten man
nigfacher Art, einschließlich der überwiegend ange
wandten Forschung.
Mit einer eigenen kleinen Flotte von sieben
Schiffen werden vorwiegend die Seegebiete vor den
eigenen Küsten und die Fischereigebiete vermessen. An
Lotlinien wurde das fünffache des Erdumfangs abgelau
fen. Das Vermessungs- und Forschungsschiff "Gauß" hat
dazu seit 1950 weitere 165.000 am - das achtfache des
Erdumfangs - an Forschungsfährten zurückgelegt; die
"Meteor" inzwischen weitere 100.000 sm. Fast 1.000
eigene Seekarten gibt das DHI z.Z. heraus, nahezu für
alle Gebiete, die von deutschen Schiffen .regelmäßig
befahren werden.
Die Ausdehnung der Fischerei2onen einiger An
liegerstaaten des Nordatlantik führten zu einer Ver
drängung unserer Hochseefischerei aus den traditionel
len Fanggebieten. Der deutschen Hochseefischerei vor
Grönland, Labrador und Neufundland die erforderlichen
Seekarten mit einem zuverlässigen Tiefenbild zu be
schaffen, ist eine neue große Aufgabe des DHI. Noch
weiter entfernt liegende Gebiete vor Afrika werden
heute schon von deutschen Fischereifahrzeugen befischt.
Das Gebiet vor Südamerika mag eines Tages dazu kom
men. Auch hierfür ist die Vermessung und meereskund-
liche Erforschung dieser Gebiete notwendig. Die mo
dernen Navigationsverfahren, z.B. Consol, Decca und
Loran, erfordern spezielle Karten. Auch die Marine
braucht besondere Seekarten für ihre Aufgaben.
Der zunehmende Schiffsverkehr und die Entwick
lung immer größerer Schiffe erfordern die Vermessung
und Festlegung von Kollisionsschütz- und TiefWasser
wegen. Dazu ist die Ortung und gegebenenfalls die
Beseitigung von Wracks notwendig. Allein vor den deut
schen Küsten wurden von Schiffen des DHI bisher 955
Wracks festgestellt, die der Schiffahrt gefährlich
werden könnten. Ihre Lage und Veränderung muß lau
fend überwacht werden.
Die Ausbeutung des Meeresuntex'grundes, die immer
größere wirtschaftliche Bedeutung gewinnt, erfordert
neue Seekarten und geophysikalische und geologische
Untersuchungen, an denen das DHI-ebenfalls mitwirkt.
Der Vollversammlung der Vereinten Nationen liegen
jetzt Vorschläge für eine Internationalisierung des
Tiefseebodens zur wirtschaftlichen und wissenschaft-
lichen Erschließung vor. Hier liegt ein weiteres be
deutendes Arbeitsfeld des DHI.
Uber 70 Bände Nautischer Handbücher enthalten
eine Fülle der für die Sicherheit und Wirtschaft
lichkeit der Schiffahrt notwendigen Informationen,
die fortlaufend den örtlichen Veränderungen und der
Entwicklung der Technik, z.B. der Radarnavigation,
angepaßt werden müssen. Um diese herauszugeben und
auf dem laufenden zu erhalten, ist die freiwillige
Mitarbeit der Schiffsführungen unerläßlich.
. Die aus diesen Kreisen laufend an das Deutsche
Hydrographische Institut gelangenden Informationen
und ihre Auswertung an Land haben einst das hohe An
sehen der Deutschen Seewarte begründet. Hierbei muß
in gleicher Weise auf die große Bedeutung hingewie-
aen werden, die die maritim-meteorologischen Beobach
tungen für die Seeschiffahrt besitzen, die von frei
willigen Mitarbeitern dem Seewetteramt des Deutschen
Wetterdienstes zugeleitet werden. Ich darf hier den
bekannten Schriftsteller und Nautiker, den britisch
australischen Segelschiffskapitän Alan Villiers, zi
tieren, der in seinem Werk "The way of a ship" - in
Deutschland bekannt unter dem Titel "Auf blauen Tie
fen" -, folgendes schreibt: "Obgleich die britischen
und amerikanischen Hydrographen die Kapitäne auffor
dern, Berichte über Wind und Wetter einzuschicken,
machten sich nur wenige die Mühe, solche Nachrichten
einzusenden, Kapitäne und Reeder interessierten sich
stark für die Durchführung ihrer Reisen, aber wenige
untersuchten sie nach wissenschaftlichen Gesichts
punkten. Eine gute Reise war eben Glückssache, eine
schlechte Reise war Pech. Die Deutschen dagegen ver
langten von allen Kapitänen die Einsendung von Rei