Hundertjahrfeier
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Rede von Staatssekretär Wittrock
Zum Deutschen Seeschiffahrtstag 1,968, der seine
besondere Bedeutung durch drei hundertjährige Jubi
läen erhält, überbringe ich Ihnen die Grüße und Wün
sche der Bundesregierung und insbesondere des Herrn
Bundesministers für Verkehr. Ich freue mich, daß ich
erstmalig am Deutschen Seeschiffahrtstag teilnehmen
kann und Gelegenheit habe, hier vor dieser festli
chen Versammlung des hundertjährigen Bestehens des
Deutschen Hydrographischen Instituts zu gedenken.
Das PHI kann als Oberbehörde im Geschäftsbereich
des Bundesministers für Verkehr natürlich allenfalls
so alt sein wie die Bundesrepublik Deutschland selbst.
Das DHI ist aber in die Bundesverwaltung übergelei
tet worden. Zuvor war es als Zweizonenbehörde aus dem
1945 gebildeten Deutschen Maritimen Institut hervor
gegangen. Dieses Institut verdankte seine Entstehung
der Einsicht und dem Weitblick eines britischen Hydro
graphen und Marineoffiziers, der bemüht war, alles
das, was nach dem Kriege an nautischen und wissen
schaftlichen Diensten für die Seeschiffahrt in Deutsch
land noch vorhanden war,.zusammenzufassen. Das ist
auch in einer Weise und in einem Ausmaß gelungen, wie
es später vielleicht nie wieder möglich gewesen wäre,
und dafür können wir dankbar sein.
Zusammengefaßt wurden damals die Aufgaben des
früheren Marineobservatoriums, des hydrographischen
nautischen Dienstes der Kriegsmarine und die nauti
schen sowie meereskundlichen Aufgaben der Deutschen
Seewarte. Wenn wir auf die Geschichte dieser Arbeits
gebiete blicken, so finden wir sehr verschiedene und
recht frühe Daten, .die als Gründungs- oder Entste
hungstage in Anspruch genommen werden könnten.
1749 ist der "Nouvel Atlas de Marine” des preußi
schen Eeldmarschalls Grafen von Schmettau bei der
preußischen Akademie für Wissenschaften erschienen.
Anfang der 40iger Jahre des vorigen Jahrhunderts wur
de vom preußischen Handelsministerium ein neuer See
atlas herausgebracht. 1850 war das erste Hautische
Jahrbuch des preußischen Handelsmarineministeriums
und 1858/60 ein "Seeatlas der Jade-, Weser- und Elb-
mündungen" erschienen. 1861 wurde dann im Preußischen
Marineministerium das Hydrographische Büro zur Ver
messung der Küsten, Häfen und Flußmündungen und zur
Herstellung von Seekarten und zur Prüfung der nauti
schen Instrumente gebildet. Seit dem gleichen Jahr
erscheinen als wöchentliche Zeitschrift die "Nach
richten für Seefahrer".
Der hydrographische Dienst der früheren Marine
hat eine glanzvolle Geschichte. Er trug verschiedene
Namen, bis er 1939 als Amtsgruppe Nautik im Oberkom
mando der Kriegsmarine mit dem nachgeordneten Vermes
sungsverband einen angemessenen Platz erhielt.
Ein anderer großer Aufgabenbereich des DHI ge
hörte früher zum Marineobservatorium Wilhelmshaven,
das 1874 gegründet war» Seine Aufgabe war die Unter
suchung des SGhiffsmagneti’smus, die Chronometerprü-
füng, der Zeitdienst, die Gezeitenvorausberechnung,
der Windstau- und Sturmflutwarndienst. Die weit über
die nationalen Grenzen hinausgehende Bedeutung des
Marineobservatoriums ist mit den Namen des Prof.Dr.
Carl Börgen, Prof.Dr. Friedrich Bildlingmaier und
Präs.Dr. Günther Böhnecke, der in den Jahren 1946 bis
I960 Präsident des DHI war, verbunden.
Bei den seefahrenden Nationen war um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts die Notwendigkeit erkannt
worden, die Beobachtungen der Handelsschiffskapitäne
zu sammeln und für die Handelsschiffahrt zur Abkür
zung und für die größere Sicherheit der Reisen aus
zuwerten. Diese Bestrebungen führten in Deutschland
zur Gründung der Norddeutschen Seewarte im Jahre 1868
in Hamburg. Sie wurde nicht durch einen Akt der Ge
setzgebung oder der Verwaltung, sondern auf Grund der
privaten Initiative eines weitschauenden Mannes von •
starkem Gemeinsinn/ des Mathematikers und Naturwis
senschaftlers Wilhelm von Freeden, des damaligen Rek
tors der Großherzoglich Oldenburgischen Navigations
schule in Elsfleth vollzogen. Er war von der Notwen
digkeit seines Planes so überzeugt, und von einem
solchen Idealismus beseelt, daß er zunächst auf per
sönliche Bezüge verzichtete. Ich kann mich hier auf
die Erwähnung seines Namens beschränken, da von
Freeden auch bei der Gründung des Deutschen Nauti
schen Vereins und des Nautischen Vereins zu Hamburg
eine bedeutende Rolle gespielt hat und deshalb an
anderer Stelle gewürdigt werden wird.
Die Norddeutsche Seewarte, die 1872 den Namen
"Deutsche Seewarte" erhielt, wurde schließlich 1875
in die staatliche Deutsche Seewarte übergeführt und
der Admiralität unterstellt. Auch die Deutsche See
warte hat eine ruhmreiche Geschichte, die vor allen
Dingen mit der Person ihres ersten Direktors, Georg
Neumayer, verbunden ist, der 28 Jahre lang bis zu
seinem 78. Lebensjahr dieses Institut geleitet hat.
Ihr letzter Leiter war Admiral Fritz Spiess, der
Kommandant und zweiter Expeditionsleiter der "Meteor"
auf der bahnbrechenden Deutschen Atlantischen Expe
dition 1925/27.
Es ist schwer zu sagen, welche dieser Einrich
tungen, nämlich der hydrographische Dienst der Mari
ne, das Marineobservatorium oder die Norddeutsche
Seewarte die. Hauptwurzel des DHI ist. Wenn wir ihre
Gründungsdaten betrachten, so ist das Jahr 1868,
nämlich das Gründungsjahr der Norddeutschen Seewarte,
das arithmetische Mittel zwischen den Gründungsjah-
ren des hydrographischen Büros im preußischen Marine-
ministerium 1861 und des Marineobservatoriums- 1874,
so daß wir heute im Jahre 1968 mit gutem Recht von
dem hundertjährigen Bestehen des Deutschen Hydrographi
schen Instituts als Nachfolgebehörde sprechen können.
Auch der maritim-meteorologische Dienst, der
heute vom Seewetteramt des Deutschen Wetterdienstes
wahrgenommen wird, gehörte zur Norddeutschen und
später zur Deutschen Seewarte. Auch er besteht jetzt
100 Jahre. Dieses Jubiläums ist bereits in der ersten
Aprilwoche mit einer großen internationalen Tagung
der Meteorologen und Geophysiker gedacht worden.