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Full text: Jahresbericht 1968

Jahresbericht Kr. 23/1968 
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einen hohen Entwicklungsstand der einschlägigen Geo 
wissenschaften voraus, der vor 100 Jahren schlechter 
dings nicht vorhanden war. So ist es nur natürlich, 
daß die Seewarte versuchen mußte, sich die erforder 
liche wissenschaftliche Basis seihst zu schaffen, 
d.h. seihst Forschung auf den Meeren zu betreiben. 
Aus diesem Grunde hat sich der Schwerpunkt ihrer Ar 
beiten im Verlaufe ihrer Geschichte mehr und mehr von 
der nautischen zur wissenschaftlichen Seite verla 
gert, eine Entwicklung, die zuweilen von älteren Ka 
pitänen beklagt worden ist, die aber in der Natur der 
Sache lag und daher nicht aufzuhalten war. 
Bereits ihr erster Direktor, der Erdmagnetiker 
GEORG NEUMAYER, hatte die Notwendigkeit erkannt, 
außer Nautikern auch - und im verstärkten Maße - 
Wissenschaftler bei der Seewarte 2u beschäftigen. 
Unter seiner 28 Jahre währenden Führung entfaltete 
die Seewarte eine weitreichende und äußerst erfolg 
reiche Tätigkeit in all ihren wissenschaftlichen und 
nautischen Arbeitsgebieten. An fast allen deutschen 
Polarexpeditionen und an den großen ozeanographischen 
Porschungsfahrten war sie beteiligt. NEUMAYER gehör 
te zu den Initiatoren des 1. Internationalen Polar 
jahres, das die Erforschung der Polargebiete durch 
internationale Zusammenarbeit zum Ziele hatte und als 
Vorläufer der großen internationalen geophysikali 
schen Kooperationen unserer Zeit anzusehen ist. Er 
hat auch die Antarktische Kooperation 1900 - 1905 
angeregt und maßgeblich beeinflußt. Bei der- Durch 
führung des 2. Internationalen Polarjahrea 1932/33 
hatte die Deutsche Seewarte wiederum eine führende 
Position, und auch in allen ständigen internationa 
len Organisationen der Ozeanographie und Meteorolo 
gie haben Wissenschaftler und Nautiker der Seewarte 
eine bedeutende Rolle gespielt. 
Zu Anfang standen den Wissenschaftlern der See 
warte ausschließlich die Naturbeobachtungen zur Ver 
fügung, die Kapitäne und Offiziere deutscher Schif 
fe auf den Weltmeeren angestellt und in Tagebüchern 
niedergelegt hatten. Der Gewissenhaftigkeit und Sorg 
falt der nautischen Beobachter verdanken.wir es,, daß 
bereits aus diesen zwar zahlreichen aber in wissen- . 
schaftlichem Sinne nur beschränkt aussagekräftigen 
Beobachtungen und Messungen bemerkenswerte Resultate, 
insbesondere über die. geographische Verteilung der 
interessierenden^ Größen, Oberflächentemperatur, 
Strömung, Eis erhalten werden konnten. 
Für weitergehende Fragestellungen, zum Beispiel 
nach der thermohalinen Schichtung sowie der Tiefen 
zirkulation der Ozeane, reichten diese Angaben nicht 
aus, und so mußten die Ozeanographen der Seewarte 
selbst messend und forschend auf den Meeren tätig 
werden. Diese erste oder Pionier-Phase der Meeres 
forschung ist gekennzeichnet durch langdauernde, 
meist mehrere Ozeane durchquerende Forschungsfahrten; 
ich denke dabei, vor allem an die Reisen, der Schiffe 
"Gazelle", "Valdivia", "Gauß", "Planet" und "Deutsch 
land". Diese Unternehmen können nur als erste Erkun 
dung gewertet werden. Die erzielten Ergebnisse haben 
mehr oder weniger den Charakter von Stichproben. Sie 
sagen nichts aus über die Veränderlichkeit der ge 
messenen Größen. 
Die zweit© Phase der wissenschaftlichen Meeres 
forschung wurde durch die große "Meteor"-Expedition 
1925-27 eingeleitet, in der ein bestimmtes Meeresge 
biet, hier der Südatlantische Ozean, systematisch ver 
messen und erforscht wurde, allerdings nur durch ein 
einziges Schiff. Die Zusammenfügung der zu verschie 
denen Zeiten an verschiedenen Orten gewonnenen Daten 
zu einem geschlossenen Gesamtbild, etwa des thermo 
halinen Aufbaus oder der Zirkulation dieses Ozeans, 
ist dann nur unter der Annahme stationärer Verhält- • 
nisse möglich. 
Diese Beschränkung kann vermieden werden, wenn • 
mehrere Forschungsschiffe gleichzeitig in einem See 
gebiet tätig sind» Über die zeitlichen Änderungen 
können dabei Ankerstationen sowie, in regelmäßigen Ab 
ständen wiederholte Messungen, sog. Terminfahrten - 
diese allerdings in geringerem Maße - Aufschluß ge 
ben.. Damit sind wir bei der dritten Phase der Meeres 
forschung angelangt, die kurz vor dem letzten Welt 
krieg begann und danach unter starker Aktivierung der 
internationalen Zusammenarbeit in großem Maßstab be 
trieben wurde. Als Schrittmacher dieser Entwicklung 
muß insbesondere der Internationale Rat für Meeres- 
forscirung in Kopenhagen erwähnt werden. 
An fast allen diesen verschiedenartigen Unter 
nehmungen der Meeresforschung waren Wissenschaftler 
der Seewarte aktiv beteiligt. Ihre Ergebnisse haben 
sie in zahlreichen Arbeiten und Büchern niedergelegt. 
Ich denke dabei an GERHARD SCHOTT, dessen "Geogra 
phien der Ozeane" Standardwerke der geographischen 
Epoche der Ozeanographie darstellen, an die Teilneh 
mer der großen Meteor-Expedition OTTO PRATJE und 
ARNOLD SCHUMACHER, die durch Beiträge zum Meteor-Werk 
über die Sedimente des Südatlantik bzw. über See 
gangsuntersuchungen hervorgetreten sind. Im Bereich 
der Gezeitenforschung wären HERMANN THORADE und 
HEINRICH RAUSCHELBACH zu nennen, während wir WILHELM 
BRENNECKE, BRUNO SCHULZ und GERHARD NEUMANN wesent 
liche Arbeiten aus zahlreichen Gebieten der Meeres 
kunde verdanken. Die Meereschemie ist in der Seewarte 
vor allem durch KURT KALLE gefördert worden, während 
auf dem Gebiet des Erdmagnetismus, insbesondere hin 
sichtlich solcher Messungen auf See, FRIEDRICH 2RRULAT 
erwähnt werden muß. Es wäre leicht, diese Liste zu 
verlängern, insbesondere durch berühmte Namen aus dem 
Gebiet der Meteorologie, doch will ich mich auf Ozea 
nographie und Geophysik beschränken. 
Allerdings möchte ich hier nicht unterlassen, 
auf die Beziehungen zwischen den beiden Schwesterwis 
senschaften Ozeanographie und Meteorologie - in der 
Seewarte, und allgemein - einzugehen. 
In der Seewarte waren beide Disziplinen ursprüng 
lich in einer Abteilung zusammengefaßt, wenigstens 
soweit es sich um die Auswertung der Beobachtungen 
und Messungen aus Schiffstagebüchern handelte, die 
bekanntlich nur die Verhältnisse an der Meeresober 
fläche erfassen. Die Leitung lag zunächst in den Hän 
den erfahrener Nautiker, im Jahre 1903 wurde der 
Qzeanograph GERHARD SCHOTT damit betraut. Im Laufe
	        
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