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1. Einleitung
Im folgenden werden die zwei Motivationen skizziert, die diese Arbeit haben zustande
kommen lassen. Zuerst wird auf den geographischen und ökonomischen Hintergrund einge
gangen, anschließend auf die wissenschaftliche Fragestellung.
Seit Jahrzehnten gehört die Wasserstandsvorhersage zu den Hoheitsaufgaben des Deut
schen Hydrographischen Instituts (DHI), das am 1.7.1990 mit dem Bundesamt für Schiffsver
messung zu dem neuen "Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie" (BSH) verschmol
zen wurde. Der regionale Aufgabenbereich des Wasserstandsvorhersage- und Sturmflutwarn
dienstes des BSH umfaßt die Küsten Niedersachsens, Schleswig-Holsteins, Mecklenburg-Vor-
pommerns und der Elbe von der Mündung bis ins Hamburger Gebiet. Die Revierzentralen der
Wasser- und Schiffahrtsverwaltung im Nordseeküstenbereich erhalten mindestens zweimal
täglich Vorhersagen für die Hoch- und Niedrigwasser in ihren Aufsichtsbereichen. Dort
werden die Vorhersagen in Logistik für den Schiffsverkehr umgesetzt. Amtliche und private
Stellen erhalten mündliche und schriftliche Auskünfte [BSH Jahresber.] [DHI Jahresber.].
Die Wasserstandsvorhersage ist von (iiber-)lebenswichtiger Bedeutung für Menschen, die
im Küstenbereich leben. Der veränderliche Wasserstand hat entschiedenen Einfluß auf die
Küstenschiffahrt, die Fischerei und die Bewohner von Inseln, die durch Watten mit dem
Festland verbunden sind. Die Watten werden in Abhängigkeit vom Wasserstand überspült
oder trockengelegt. Zum Schutz gegen die Naturgewalten wurden Deiche errichtet, die bei
Sturmfluten in Abhängigkeit von der angekündigten Fluthöhe zusätzlich verstärkt werden. Die
kurzfristige Verstärkung kostet viel Geld. Für langfristigen Schutz müssen die Deiche erhöht
werden. Um einer optimalen Widerstandsfähigkeit willen darf beim Deichbau eine maximale
Steigung der Böschung nicht überschritten werden. Eine Erhöhung bewirkt somit eine
Verbreiterung des Deichfusses zur Wasser- und/oder Binnenseite hin [Otto 94]. Wird Hinter
land benötigt, muß die Bevölkerung weichen. In diesem Entscheidungskomplex spielt die
Genauigkeit der Wasserstandsvorhersage eine herausragende Rolle.
Eine weitere Rolle spielt sie in der Schiffahrt. Hamburg nimmt einen Spitzenplatz unter
den Welthäfen ein [Hamburg 94], [Hafen Hamburg 93]. Um dem zunehmenden Transportvo
lumen gerecht zu werden, werden immer größere Containerschiffe mit entsprechendem Tief
gang eingesetzt. Die Fahrrinne der Elbe müßte durchgehend vertieft werden, um solchen
Schiffen tideunabhängigen Verkehr zu ermöglichen [Hamburg 93]. Aus ökologischen
Gründen wird aber nur ein tideabhängiger Verkehr angestrebt [Siefert 93], verbunden mit
einer nur teilweisen Vertiefung. Der Wasserstand in der Elbe wird von dem in der Nordsee
bestimmt. Tiefgehende Schiffe können Zeitfenster nutzen, in denen der Wasserstand hoch
genug und damit eine Mindestwassertiefe für die Revierfahrt vorhanden ist (tideabhängiger
Verkehr) [Schlüter 93]. Da das BSH für die Sicherheit und Leichtigkeit des Elbverkehrs ver
antwortlich ist, müssen die Abstriche an der Vertiefung durch eine verbesserte Wasserstands
vorhersage aufgefangen werden. Die Verbesserung umfaßt sowohl eine Reduktion des
Vorhersagefehlers als auch eine detailliertere Vorhersage des Wasserstandsverlaufs entlang
der Elbe.
Die Wasserstandsvorhersage setzt sich aus zwei unterschiedlichen Anteilen zusammen. Die
langfristige Komponente (astronomisch bedingte Gezeiten) wird in der Regel für ein Jahr mit
ausreichender Genauigkeit vorausberechnet. Die kurzfristige Komponente (meteorologische
Einflüsse) dagegen muß jeden Tag neu fomuliert werden. Bisher werden dafür zwei Ver
fahren operationeil verwendet, die nach verschiedenen Prinzipien funktionieren: ein älteres
empirisch-statistisches und ein hydrodynamisch-numerisches Modell jüngeren Datums, das
beide Komponenten zusammen berechnet. Beide Verfahren werden vom Wasserstands