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Korrelationstheorie [von der Malsburg 83]. Er weist darauf hin, wie hartnäckig sich die alten,
offensichtlich unzulänglichen Denk-Modelle in den Köpfen seiner Kollegen festgesetzt haben:
dieses Beharren darauf, daß sich die Gespinste des Geistes an jeweils speziell zuständigen
Nervenzellverbänden oder gar einzelnen Neuronen im Gehirn räumlich-materiell festmachen
ließen [Haaf 94]. Zwar sind mit diesen "offensichtlich unzulänglichen Denk-Modellen" in der
Vergangenheit der abendländischen Wissenschaft (seit der Reformation) bemerkenswerte
Erfolge erzielt worden. Um die Funktionsweise neuronaler Netze und damit des Gehirns zu
verstehen, ist aber eine Erweiterung der bisherigen Denkmodelle nötig. Zusätzlich zur
lokalistischen Denkweise ist ein Denken notwendig, das als parallel und holistisch bezeichnet
werden soll. Holistisch deshalb, weil neuronale Netze gewisse Analogien mit Hologrammen
aufweisen. Um dem ozeanographisch/meteorologisch orientierten Leser den Einstieg in das
parallele bzw. holistische Denken zu erleichtern (der Autor behauptet nicht, daß er dieses
Denken selbst schon beherrscht), seien drei Beispiele angeführt.
Das erste Beispiel ist aus dem Bereich der Musik entlehnt, in der Hoffnung, daß in
musikalisch interessierten Meteorologen und Ozeanographen über diesen Weg ein wenig
Verständnis für die neuronalen Netze geweckt wird. Als Beispiel wurde die Fuge gewählt.
Eine Fuge besteht aus mehreren Einzelstimmen, die aus mindestens einem musikalischen
Thema abgeleitet werden. Jede Stimme für sich allein hat linearen Charakter. Durch ihre
harmonische Kopplung, d.h. durch den Zusammenklang der Stimmen, gewinnt die Fuge erst
ihren Reiz bzw. ihren nichtlinearen Charakter. Es ist nicht leicht, während des Hörens einer
Fuge die Entwicklung der Themen in sämtlichen Stimmen gleichzeitig mitzuverfolgen. Noch
viel schwieriger ist es, solch ein Musikstück zu komponieren oder zu improvisieren. Das
Beispiel hinkt aber, da einzelne Stimmen in der Musik auch ihre Ausstrahlung haben, ein
einziges Neuron aber nicht viel bewirkt. Außerdem genügen einer Fuge im Mittel ungefähr
zwei bis sechs Stimmen für ein durchsichtiges Klangbild. Mehr als ungefähr sechs Stimmen
beginnen, den Gesamtklang zu verwischen.
Neuronale Netze dagegen zeigen ihre Leistungsfähigkeit erst bei vielen Tausenden von
Neuronen. Workstations können eine Anzahl von Gewichten, d.h. Verbindungen zwischen
den Neuronen, von der Größenordnung (o(): order of) KT mit einer Geschwindigkeit von
o(10 4 /s) verarbeiten. Transputer hegen bei o( 10 6 ) und o(10 6 /s) und der Neurocomputer
"SYNAPSE" bei o(10 7 ) und o(10 9 /s) [Ramacher 92], [Ramacher et al. 94]. Beim mensch
lichen Kortex als biologischem Netzwerk wird die Anzahl der Neuronen auf IO 10 und die
Anzahl der Verbindungen auf 6xl0 13 geschätzt. Zusätzlich sei die energetische Effizienz
erwähnt. Die des Gehirns liegt bei 1CT 16 Joules pro Operation pro Sekunde, während sie bei
den besten heutigen Computern nur 10" 6 Joules pro Operation pro Sekunde beträgt [Haykin
94].
Ein zweites Beispiel soll das Zusammenspiel von lokalistischem und holistischem Denken
verdeutlichen: das Schachspiel. Der Schachspieler kann einerseits Schritt für Schritt seine
eigenen möglichen Züge und die entsprechend möglichen Züge des Gegners durchspielen und
aus den sich ergebenden Zugfolgen die für den aktuellen Zug beste Möglichkeit heraus
suchen. Da die Anzahl der möglichen Kombinationen mit den Zügen sehr groß wird, ist der
Anzahl der Züge eine Grenze gesetzt. Auf der anderen Seite kann sich der Spieler die
aktuelle Stellung sämtlicher Figuren als Muster merken und mit Mustern aus früheren Spielen
vergleichen. Aus dem Verlauf, d.h. der Folge, von Mustern in vergangenen Spielen ließe sich
der aktuelle bestmögliche Zug ableiten. Dieser Vorgang läuft eher intuitiv ab.
Als drittes und letztes Beispiel sei die herkömmliche Art und Weise erwähnt, wie die
Natur in der Ozeanographie/Meteorologie modelliert wird. Dieser "natürliche" Ansatz ist
durch die numerische Lösung der hydrodynamischen Gleichungen bedingt, die als Differen