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Zeitfensters ausgewählt werden. Im Fall der multiplen Regression besteht dieses Zeitfenster
aber aus nur einem Zeitpunkt. Der Begriff "Zeitfenster" impliziert zwar eine gewisse zeitliche
Breite und somit eine Mindestzahl von zwei Zeitpunkten. Um der Einheitlichkeit willen wird
der Begriff aber auch auf den Fall nur eines Zeitpunktes ausgedehnt. Der Zeitpunkt des
multiregressiven Zeitfensters kann von Reihe zu Reihe gleich sein oder auch variieren. Im
Gesamtansatz z.B. wird der Stau u.a. mit dem Wind in Beziehung gesetzt, der mit einem
Zeitversatz von drei Stunden vor dem Stau gemessen wurde. Die multiple Regression stellt
einen Zusammenhang zwischen mehreren Indikationszeitreihen und einer Prognosezeitreihe
her. Folglich werden Zeitfenster, die auf Indikationszeitreihen angewandt werden, als Indika
tionszeiträume bezeichnet und ein Zeitfenster angewandt auf die Prognosezeitreihe als
Prognosezeitraum.
Für die multiple Regression werden Zeitreihen von verschiedenen gemessenen Größen
benötigt. Als Oberbegriff sei der Begriff multivariat eingeführt, der einen Hinweis auf die
Verwendung von Zeitreihen mehrerer verschiedener Größen gibt. Wird nur eine einzige
Zeitreihe, d.h. die zeitliche Entwicklung nur einer einzigen gemessenen Größe als Eingabe für
statistische Modelle oder für Modelle auf Basis von neuronalen Netzen (neuronale Modelle)
benötigt, wird als entsprechender Oberbegriff der Begriff univariat verwendet. Um mit nur
einer einzigen Zeitreihe Vorhersagen treffen zu können, werden sowohl ein Prognose- als
auch ein Indikationszeitraum auf diese eine Zeitreihe angewandt. Beide Zeiträume schließen
direkt aneinander an. Umfaßt der Prognosezeitraum nur einen Zeitpunkt, wird ein entspre
chendes statistisches Modell als autoregressiv bezeichnet [Schlittgen et al. 94]. Neuronale
Netze können auf autoregressive Weise angewandt werden (siehe z.B. [Wan 93]).
Umfaßt der Prognosezeitraum dagegen mehrere hintereinander liegende Zeitpunkte, kann
ein Vorhersagemodell auf Basis von neuronalen Netzen als "klassifizierend" bezeichnet
werden. Halmans verwendet diese Bezeichnung bei seiner Vorstellung von bestimmten
neuronalen Netzen als Vorhersagemodelle. Dabei verwendet er auch den Begriff Prognose
zeitraum [Halmans 91]. Angewandt auf die Wasserstandsvorhersage kann somit die Zeitreihe
des Staus als einzige Eingabe in ein klassifizierendes neuronales Modell dienen. Um mit
diesem Modell Vorhersagen treffen zu können, wird die Dynamik des Systems aus der Ver
gangenheit des Staus (dargestellt durch den Indikationszeitraum) in die Zukunft hinein ex
trapoliert (dargestellt durch den Prognosezeitraum). Oder anders formuliert, der Indikations
zeitraum wird auf den Prognosezeitraum abgebildet.
Prognosezeiträume mit mehr als einem Zeitpunkt können auch durch autoregressive
neuronale Modelle abgedeckt werden. Die Prognosen können durch mehrmalige iterative
Anwendung dieser Modelle erstellt werden. D.h. bei jeder Anwendung werden der Indika-
lions- und der Prognosezeitraum um jeweils einen Zeitpunkt sukzessiv verschoben, wobei die
Prognose zum direkt vorangehenden Zeitpunkt berücksichtigt wird [Halmans 91]. Iterierte
autoregressive Modelle brauchen im Vergleich zu klassifizierenden Modellen zwar weniger
Speicher, aber aufgrund der öfteren Anwendung mehr Rechenzeit (Kap.3.6 und Kap.5.3).
Univariate, d.h. autoregressive und klassifizierende Modelle haben gegenüber multiregres
siven Modellen den Vorteil, daß sie keine Zusatzprognose (z.B. Windprognose, Kap.2.1.4)
gebrauchen. In diesem Fall wird der dritte Datensatz der Vorhersage nicht gebraucht (siehe
Einleitung zu Kap.2.2). Auch sind in diesem Fall Darstellungs- und Vorhersagefehler iden
tisch. Inwieweit es Sinn macht, eine Zeitreihe nur mit Hilfe ihrer eigenen Vergangenheit zu
verlängern, läßt sich ohne Modellannahmen nicht beurteilen. Jede Analyse, auch die Spektral
analyse, ist letztlich ein "Modell", das auf irgendwelchen Annahmen beruht. Daher werden
einfach die im Hindcast berechneten Vorhersagefehler der univariaten Modelle mit den
Vorhersagefehlern anderer Modelle verglichen.