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Europainodells des DWD [Majewski 93] und von Gezeitenvorausberechnungen werden jede
Nacht Prognosen für Wasserstände, Strömungen, Wassertemperatur, Salzgehalt und Eisbe
deckung bis zu 36 Stunden im voraus berechnet.
Es werden drei ineinander verschachtelte und interaktiv gekoppelte Gitternetze verwendet.
Ihre Auflösung nimmt zur deutschen Küste hin zu, um die dynamische Wechselwirkung der
mannigfaltig gegliederten Küste mit küstenfernen Seegebieten wiedergeben zu können. Im
küstennahen Bereich der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee beträgt der Gitter
abstand etwa 1.8 km, im küstenferneren Bereich etwa 10 km und im übrigen Teil der Nord-
und Ostsee etwa 20 km. Das Strömungsmodell ist dreidimensional und berücksichtigt die
aktuelle Meteorologie über der Nord- und Ostsee, die vom Atlantik einlaufenden Gezeiten
und Fernwellen sowie die mittleren Oberwassereinträge über die größeren Flüsse. Die
Gezeitenwerte an den offenen Rändern des Nordseemodells werden aus den harmonischen
Konstanten von 14 Partialtiden bestimmt. Für die Berechnung der Fern wellen wird ein
Modell des nordöstlichen Atlantiks verwendet. Es ist zweidimensional, hat einen Gitter
abstand von etwa 40 km und wird ebenfalls mit den meteorologischen Daten des DWD
angetrieben. Zur Vorhersage von Temperatur und Salzgehalt wurde ein neuer Transportalgo
rithmus entwickelt. Da beide Größen die Dichte des Wassers bestimmen, resultieren aus den
Verteilungen von Temperatur und Salzgehalt barokline Strömungen. Baroklin bedeutet, daß
die Druck- und Dichteflächen im Ozean nicht parallel sind. Barokline Strömungen spielen
besonders in der Ostsee eine große Rolle. [BSH 92]. [DMG 93], [Kleine 94].
Zusätzlich zum operationellen Strömlings- und Wasserstandsmodell existiert ein jüngeres
zweidimensionales Windstaumodell, das zuerst die Gezeit separat und anschließend gezeiten-
und windbedingte Wasserstandsänderungen berechnet. Durch geeignete Subtraktion der
Modellprognosen beider Simulationen wird der Windstau für die Hoch- und Niedrigwasser
ermittelt. Es wird nur ein Gitter mit einem Abstand von 10 km verwendet. Durch den Vorteil
einer wesentlich kürzeren Rechenzeit (z.Zt. mindestens Faktor 36 schneller als das Strö
mungsmodell) kann es flexibler auf eine aktualisierte meteorologische Prognose reagieren.
Ein Vergleich von verschiedenen Windschubspannungsansätzen mit/ohne Berücksichtigung
des Seegangs erbrachte nur geringfügige Unterschiede in der Genauigkeit der Vorhersage
[Janssen 96 in Vorb.]. Das Modell wird seit Ende 1996 Operationen genutzt.
2.1.6. Qualitativer Vergleich von statistischen, hydrodynamischen und neuronalen Verfahren
In diesem Abschnitt sollen das statistische und die hydrodynamisch-numerischen Verfahren
auf qualitative Weise miteinander verglichen werden. Das geschieht darum, um Unterschiede
und Gemeinsamkeiten in den Prinzipien zu beleuchten, die den Verfahren zugrunde liegen.
Außerdem sollen hier erste Bezüge zu den neuronalen Netzen aufgezeigt werden.
Für den Beobachter stellt sich die Natur als ein komplexes nichtlineares System von
miteinander wechselwirkenden physikalischen Prozessen dar. Durch den Einfluß der Sonne
unterliegen die meisten Prozesse einem Tages- und einem Jahresgang. Die Gänge können
gestört und phasenverschoben sein. Die Wechselwirkung der beteiligten Prozesse kann etwas
salopper formuliert mit einem Knäuel von Ursache und Wirkung umschrieben werden. Um
dieses komplexe nichtlineare System vorherzusagen, wurden bisher zwei Ansätze verfolgt.
Der dynamische Ansatz geht davon aus, daß die physikalischen Prozesse durch die hydrody
namischen Grundgleichungen theoretisch beschrieben werden können [Krauss 73]. Durch die
numerische Umsetzung der Gleichungen können die Prozesse praktisch simuliert werden. Der
statistische Ansatz versucht, aus Beobachungen bzw. Messungen des Systems das Knäuel von
Ursache und Wirkung wenigstens teilweise zu entflechten und formelmäßige Rückschlüsse