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5.5.3. Hinzunahme weiterer ozeanographischer Daten
Wie in Kap.2.1.7 beschrieben, wurde eine relativ große Übereinstimmung des Verlaufs des
Reststaus bei Cuxhaven mit dem 15 h früheren Stau von Aberdeen bemerkt, sogar dann, wenn
dort kein Wind herrschte. Durch diesen Zeitversatz ist es im Gegensatz zum Wind möglich,
die Vorhersage des Staus bei Wiek zu umgehen. Da Fernwellen ungefähr 15 h brauchen, bis
sie von Aberdeen aus Cuxhaven erreichen, genügt es, den aktuellen Stau bei Aberdeen als
Prognose für den Femwellenanteil des vorherzusagenden Staus bei Cuxhaven zu interpretie
ren. Der Zeitraum, den der Wasserstandsvorhersagedienst vorherzusagen hat, beträgt zwar
ungefähr 18 Stunden, wie für die KL-, MW- und RW-Modelle angenommen wurde. Die
Vorhersagen des Dienstes beziehen sich aber hauptsächlich auf die Zeitpunkte der Hoch- und
Niedrigwasser, deren zeitliche Abstände zum aktuellen Zeitpunkt in den meisten Fällen
weniger als 18 Stunden betragen. Somit ist die Annahme, den aktuellen Stau bei Aberdeen
als Prognose zu interpretieren, gerechtfertigt. Dem Wasserstandsvorhersagedienst stehen die
aktuellen Messungen verschiedener britischer Nordseepegel (d.h. nicht nur von Aberdeen) zur
Verfügung. Zur Berechnung des Staus werden die Gezeitenvorausberechnungen benutzt, die
vom britischen Gezeitendienst ein Jahr im voraus jährlich veröffentlicht werden (ähnlich wie
die Gezeitentafeln vom Gezeitendienst des BSH, Kap.2.1.2).
Die Verfahrensweise des Wasserstandsvorhersagedienstes, mit Hilfe des aktuellen Staus
bei Aberdeen den Fernwellenanteil im vorherzusagenden Stau bei Cuxhaven zu bestimmen,
wurde auch auf die Vorhersage dieses Staus mittels Kohonen-Netze angewandt. Aus den in
Kap.4.1.3 beschriebenen Gründen wurden aber nicht die Staudaten von Aberdeen, sondern
von dem etwas nördlicher in Schottland gelegenen Ort Wiek verwendet (Abb.2.6). Für diesen
Ort wurde auf Empfehlung des Wasserstandsvorhersagedienstes der gleiche Zeitversatz von
15 h wie für Aberdeen angenommen. Außerdem wurde wie beim Wasserstandsvorhersage-
dienst für Aberdeen so auch bei der Anwendung der Kohonen-Netze für Wiek genauso auf
eine Prognose des Staus dort verzichtet. D.h. im Gegensatz zum Wind ist in dem Fall des
Staus bei Wiek keine Zusatzprognose erforderlich.
Für den Verlauf der Fernwelle wird angenommen, daß sie, ähnlich wie eine Gezeitenwelle,
entlang der englischen, holländischen und deutschen Küste bis nach Cuxhaven wandert
(Abb.2.6). Im Laufe der Wanderung nimmt die Welle immer mehr die Gestalt an, die sie
zuletzt in Cuxhaven hat. Über diese von Norden kommende Fernwelle hinaus ist es denkbar,
daß Fernwellen auch durch den Englischen Kanal eintreten und sich mit der von Norden
kommenden Fernwelle vereinigen können. Beides, die zunehmende Ähnlichkeit der Gestalt
der Fernwelle und eventuelle Fernwellen aus dem Englischen Kanal, plädieren dafür, nicht
die Pegelmessungen eines schottischen, sondern eher die eines holländischen Ortes in einem
neuronalen MR-Modell zu berücksichtigen. Dies wurde vom Wasserstandsvorhersagedienst
in dieser Weise bisher nicht getan. Ein Grund dafür kann z.B. darin gefunden werden, daß
holländische Orte im Vergleich zu Aberdeen oder Wiek recht nahe bei Cuxhaven liegen.
Daher müssen die Pegel an holländischen Orten im Gegensatz zu denen an schottischen
Orten vorhergesagt werden. Dadurch wäre das Problem der Vorhersage nur verlagert aber
nicht gelöst. Bei der Anwendung der Kohonen-Netze auf die Wasserstandsvorhersage kann
das Problem dadurch gelöst werden, daß analog zur Vorhersage der meteorologischen Größen
auch die ozeanographischen Größen, in diesem Fall der Stau an einem ausgewählten holländi
schen Ort mittels KL-Modelle vorhergesagt werden können.
Bei der Wahl eines geeigneten holländischen Pegelortes, müssen bestimmte Bedingungen
beachtet werden. Unter Berücksichtigung der Hypothese, daß die Fernwellen zwar entlang der
Küste wandern, sich aber nicht durch kleinräumige Küstenformen wie den Kanaleingang