Der dritte Punkt sind radiologische Untersuchungen im Nordmeer, die sich mit der
Ausbreitung und dem Verbleib künstlicher Radionuklide im Meer beschäftigen. Auf vier
Reisen, 1972, 1976, 1979 und 1985, wurden vor allem der Weg und, soweit möglich, die
Transportzeiten der vorwiegend von der Kernbrennstoff-Wiederaufbereitungsanlage Sel-
lafield Works (früher Windscale) in der Irischen See mit den Abwässern dem Meer
zugeführten künstlichen Radionuklide, insbesondere des Cäsium 137, untersucht.
Neben diesen Arbeiten wurden noch, im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem
International Laboratory of Marine Radioactivity der IAEO in Monaco, in kleinerem
Umfang einige radiologische Messungen auf zwei Reisen von METEOR in das Mittel-
meer vorgenommen.
Desgleichen konnten auf zwei Reisen, auf Einladung des britischen Foreign Office,
gemeinsam mit den Kollegen aus Lowestoft in der Irischen See vor den Sellafield Works
Messungen der Radioaktivität im Meer zum besseren Vergleich der Meßmethoden der
beiden Labors, durchgeführt werden.
Die bisher in der Nordsee und im Atlantik gemessenen Aktivitätskonzentrationen
künstlicher Radionuklide lassen keine negativen Einflüsse auf die Biosphäre dieser Ge-
biete erwarten. Sie sind aber ausgezeichnet als Tracer zur Beurteilung von Bewegungs-
und Ausbreitungsvorgängen.im Meer geeignet.
Hans Kautsky
Tracer-ozeanographische Arbeiten
Zur Indienststellung der METEOR wurde das Heidelberger Zweite Physikalische
Institut, in dem ich damals als Doktorand tätig war, angeschrieben und gefragt, ob es die
neue Forschungsmöglichkeit nicht nützen wollte. Am Institut waren kernphysikalische
Meßmethoden zur Messung umweltrelevanter Nuklide entwickelt und bis dahin im we-
sentlichen auf Fragestellungen der Archäometrie, Hydrologie und Quartärgeologie ange-
wendet worden. Wir haben dann auf der zweiten Reise der METEOR in den äquatoria-
len Atlantik, 1965, tatsächlich Probennahmen für Tritium in der Wassersäule, für MC im
Oberflächenwasser, für Tritium im Luftwasserdampf (teilweise auf dem meteorologi-
schen Mast der K. Brocksschen Arbeitsgruppe); sowie für Fallout-Messungen durchge-
führt. Zu diesem Zeitpunkt gab es weltweit zwar bereits eine Reihe von ozeanographi-
schen *C-Messungen, ozeanische Tritiummessungen hatten aber gerade erst begonnen.
Alle diese Messungen waren in den USA durchgeführt worden — an Namen sind hier W.
S. Broecker, Lamont, H. E. Suess und A. E. Bainbridge, Scripps, und H. G. Östlund,
Miami, zu nennen.
Unsere Tritiummessungen an den Wasserdampfproben ergaben einen wichtigen
Baustein für die spätere Festlegung der Tritium-Züfuhrraten in den Ozean, nachdem die
Probennnahmen auf weiteren METEOR-Reisen — weitgehend betreut durch K. Fug-
mann — noch fortgeführt worden waren. Die Tritium-Messungen in der Wassersäule
ergaben ein konsistentes Bild: Das Tritium war äquatorwärts von ca. 25° N’ auf die
obersten wenigen 100 m beschränkt, und es fand sich eine starke Abnahme des Tritiumin-
halts der Wassersäule von Norden nach Süden. Für das Kernwaffen-*C errechnete man
eine ähnliche Abnahme, wenn man die jeweils gefundene Tritium-Eindringtiefe auf das
im Oberflächenwasser gemessene Kernwaffen-!*C anwendete. Bevor K. O. Münnich
(mein Doktorvater) und ich diese Ergebnisse publizierten, machten wir einen Besuch bei
G. Dietrich in Kiel. Bei der Diskussion über unsere in Äquatornähe gefundenen niedri-
gen Tritium-Eindringtiefen stritten wir uns damals mit J. Meincke.
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