Der Meteorologe sagt für mindestens 24 Stunden Wetterbesserung voraus. Diese
Zeit müssen wir nutzen, um in dem für unsere Aufgabenstellung wichtigen Meßgebiet
zwischen Island und Grönland zu arbeiten. 140 Meilen bis zum Zielgebiet bedeuten
14 Stunden Fahrt. Wir verteilen noch die Aufgaben für den Tag und gehen um zwei Uhr
in unsere Kojen. Endlich können wir wieder gut schlafen, und es fällt uns schwer, um
7.30 Uhr aufzustehen. Frühstück gibt es nur bis 8.15 Uhr, und wer bis dahin nicht
gefrühstückt hat, der ist „satt“.
Drei Bojen sollen hier ausgesetzt werden. Wir treffen die Vorbereitungen und
beginnen, die erste Meßboje zu Wasser zu bringen. Um 20 Uhr schwimmt schon die
zweite Boje. Doch der Wind brist langsam wieder auf. Ob wir um 22 Uhr die dritte Boje
ausbringen, wollen wir von der Wettervorhersage abhängig machen; doch beim Meteoro-
logen ist Fehlanzeige. Ausgerechnet heute hat er keine Meldungen von einem wichtigen
Wetterschiff südlich Grönlands erhalten. Was machen? Es hat wieder bis Windstärke
sechs aufgebrist. Vorhersage ist sieben — vielleicht doch eine Chance? Wir bringen um 22
Uhr die dritte Boje zu Wasser. Um acht Uhr soll am nächsten Tag das Schießprogramm
beginnen.
Um 6.30 Uhr lassen wir uns wecken. Der Dampfer schaukelt wieder verdächtig. Auf
dem Weg zum Meßraum über das Peildeck fegt der Wind in unsere noch verschlafenen
Gesichter und läßt uns schnell munter werden. Die Bojen werden über Funk gerufen und
melden sich. Wir könnten mit dem Programm beginnen. Doch wieder schlagen meter-
hohe Brecher an Bord. An Schießen ist nicht zu denken. Der Windmesser auf der Brücke
zeigt Windstärke neun.
Niemand darf mehr Arbeitsdeck und Achterdeck betreten. Wir liegen mit dem Bug
des Dampfers gegen die See und warten. Wir sichern die Bullaugen mit schweren
Eisendeckeln und kommen uns vor wie in einem U-Boot. Die letzten Wettermeldungen
sind verheerend: Ein Orkantief zieht über unsere Position. Der Windmesser steht nun
ständig auf elf und geht in Böen bis zum Anschlag. Die Dünung nimmt ständig zu.
16 Meter hohe Wellen werden gemessen. Schneeböen und von den Schaumkämmen
weggefegte Gischt lassen die Illusion entstehen, wir seien im Hochgebirge. Das ständige
Auf und Ab verdirbt jede Laune: Wir können nicht sitzen und nicht liegen. Die Bojen
sind weg. Über Funk gerufen, melden sie sich. An den Signalen ist zu erkennen, daß die
Aufnehmer abgerissen sind.
Die Nacht über hält der Sturm an. Erst am nächsten Nachmittag geht er auf Stärke
acht bis neun zurück. Wir beginnen sofort mit der Bojensuche. Der Wert der drei Bojen
liegt bei 120.000 DM. Sind sie weg, so sind auch zukünftige Forschungsvorhaben gefähr-
det. Sorge und Aufregung zeigen sich bei uns durch Magenbeschwerden, und Tabletten
vom Schiffsarzt helfen wenig. Wir suchen sechs Stunden auf der ersten Bojenposition.
Auch in der Nacht sind keine Positionslichter der Boje auszumachen. Acht bis zehn
Meter hche Wellen und Schneeböen behindern unsere Suche. Wir dampfen unverrichte-
terdinge auf die Position von Boje zwei. Auch hier ist nichts auszumachen. Zwei Meilen
von der Sollposition entfernt, taucht plötzlich die Boje mit abgebrochener Antenne, 200
Meter vor METEOR, im Schneetreiben auf. Mit Mühe bringen wir sie zurück an Bord.
Drei Stunden später sind wir bei Boje drei. Es ist Tag geworden.
Bei den Vorbereitungen für die Bojenaufnahme auf dem Arbeitsdeck reißt ein
Brecher dem Bootsmann die Beine weg. Er schlägt mit dem Kopf auf die Reeling, hält
sich fest und muß mit Gehirnerschütterung ins Bett. Als die Boje an Bord liegt, fegt
wieder ein Brecher zwischen uns. Ein Matrose kommt mit einem Bein zwischen Boje und
Deck; er kann für die nächsten Tage das Bein nicht bewegen. Daß wir wieder durchnäßt
sind trotz Ölzeugs, ist Nebensache. Alles wird im Laderaum verstaut und festgezurrt.
Zwei Bojen sind wieder an Bord, und unsere Stimmung bessert sich.
Wir machen nochmals einen Anlauf, um ein weiteres Profil zu messen; doch wieder
spielt uns das Wetter einen Streich. Die zum Messen vorgesehene Zeit verwenden wir
erneut zur Bojensuche. Diese Boje ist von ihrer Verankerung abgerissen und treibt. Sie
ist trotz mehrstündiger Suche nicht mehr zu finden.
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