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Full text: Forschungsschiff Meteor 1964-1985

Der Meteorologe sagt für mindestens 24 Stunden Wetterbesserung voraus. Diese 
Zeit müssen wir nutzen, um in dem für unsere Aufgabenstellung wichtigen Meßgebiet 
zwischen Island und Grönland zu arbeiten. 140 Meilen bis zum Zielgebiet bedeuten 
14 Stunden Fahrt. Wir verteilen noch die Aufgaben für den Tag und gehen um zwei Uhr 
in unsere Kojen. Endlich können wir wieder gut schlafen, und es fällt uns schwer, um 
7.30 Uhr aufzustehen. Frühstück gibt es nur bis 8.15 Uhr, und wer bis dahin nicht 
gefrühstückt hat, der ist „satt“. 
Drei Bojen sollen hier ausgesetzt werden. Wir treffen die Vorbereitungen und 
beginnen, die erste Meßboje zu Wasser zu bringen. Um 20 Uhr schwimmt schon die 
zweite Boje. Doch der Wind brist langsam wieder auf. Ob wir um 22 Uhr die dritte Boje 
ausbringen, wollen wir von der Wettervorhersage abhängig machen; doch beim Meteoro- 
logen ist Fehlanzeige. Ausgerechnet heute hat er keine Meldungen von einem wichtigen 
Wetterschiff südlich Grönlands erhalten. Was machen? Es hat wieder bis Windstärke 
sechs aufgebrist. Vorhersage ist sieben — vielleicht doch eine Chance? Wir bringen um 22 
Uhr die dritte Boje zu Wasser. Um acht Uhr soll am nächsten Tag das Schießprogramm 
beginnen. 
Um 6.30 Uhr lassen wir uns wecken. Der Dampfer schaukelt wieder verdächtig. Auf 
dem Weg zum Meßraum über das Peildeck fegt der Wind in unsere noch verschlafenen 
Gesichter und läßt uns schnell munter werden. Die Bojen werden über Funk gerufen und 
melden sich. Wir könnten mit dem Programm beginnen. Doch wieder schlagen meter- 
hohe Brecher an Bord. An Schießen ist nicht zu denken. Der Windmesser auf der Brücke 
zeigt Windstärke neun. 
Niemand darf mehr Arbeitsdeck und Achterdeck betreten. Wir liegen mit dem Bug 
des Dampfers gegen die See und warten. Wir sichern die Bullaugen mit schweren 
Eisendeckeln und kommen uns vor wie in einem U-Boot. Die letzten Wettermeldungen 
sind verheerend: Ein Orkantief zieht über unsere Position. Der Windmesser steht nun 
ständig auf elf und geht in Böen bis zum Anschlag. Die Dünung nimmt ständig zu. 
16 Meter hohe Wellen werden gemessen. Schneeböen und von den Schaumkämmen 
weggefegte Gischt lassen die Illusion entstehen, wir seien im Hochgebirge. Das ständige 
Auf und Ab verdirbt jede Laune: Wir können nicht sitzen und nicht liegen. Die Bojen 
sind weg. Über Funk gerufen, melden sie sich. An den Signalen ist zu erkennen, daß die 
Aufnehmer abgerissen sind. 
Die Nacht über hält der Sturm an. Erst am nächsten Nachmittag geht er auf Stärke 
acht bis neun zurück. Wir beginnen sofort mit der Bojensuche. Der Wert der drei Bojen 
liegt bei 120.000 DM. Sind sie weg, so sind auch zukünftige Forschungsvorhaben gefähr- 
det. Sorge und Aufregung zeigen sich bei uns durch Magenbeschwerden, und Tabletten 
vom Schiffsarzt helfen wenig. Wir suchen sechs Stunden auf der ersten Bojenposition. 
Auch in der Nacht sind keine Positionslichter der Boje auszumachen. Acht bis zehn 
Meter hche Wellen und Schneeböen behindern unsere Suche. Wir dampfen unverrichte- 
terdinge auf die Position von Boje zwei. Auch hier ist nichts auszumachen. Zwei Meilen 
von der Sollposition entfernt, taucht plötzlich die Boje mit abgebrochener Antenne, 200 
Meter vor METEOR, im Schneetreiben auf. Mit Mühe bringen wir sie zurück an Bord. 
Drei Stunden später sind wir bei Boje drei. Es ist Tag geworden. 
Bei den Vorbereitungen für die Bojenaufnahme auf dem Arbeitsdeck reißt ein 
Brecher dem Bootsmann die Beine weg. Er schlägt mit dem Kopf auf die Reeling, hält 
sich fest und muß mit Gehirnerschütterung ins Bett. Als die Boje an Bord liegt, fegt 
wieder ein Brecher zwischen uns. Ein Matrose kommt mit einem Bein zwischen Boje und 
Deck; er kann für die nächsten Tage das Bein nicht bewegen. Daß wir wieder durchnäßt 
sind trotz Ölzeugs, ist Nebensache. Alles wird im Laderaum verstaut und festgezurrt. 
Zwei Bojen sind wieder an Bord, und unsere Stimmung bessert sich. 
Wir machen nochmals einen Anlauf, um ein weiteres Profil zu messen; doch wieder 
spielt uns das Wetter einen Streich. Die zum Messen vorgesehene Zeit verwenden wir 
erneut zur Bojensuche. Diese Boje ist von ihrer Verankerung abgerissen und treibt. Sie 
ist trotz mehrstündiger Suche nicht mehr zu finden. 
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