Zum 100, Geburtstage des Gründers der Deutschen Seewarte, Georg von Neumayer,
Diese Worte, welche seinem am 30. August 1861 zu Melbourne im Deutschen
Verein gehaltenen Vortrag entnommen sind, kennzeichnen Neumayers Lebensziel.
Dunkel war aber zunächst auch dem jungen Gelehrten, wie er dies Ziel erreichen
könne, Ein Bild von den entgegenstehenden Schwierigkeiten und der zähen
Tatkraft Neumayers ist erst möglich, wenn man sich die Verhältnisse jener un-
ruhigen Zeit klar macht. Ein in zahlreiche nahezu souveräne Staaten zerrissenes
Deutschland, eifersüchtig der eine Staat auf den anderen, dazu der auf die Dauer
unerträgliche Dualismus der beiden großen Staaten Preußen und Österreich; die
inneren Kämpfe zwischen Herrschergewalt und den häufig ungezügelten Be-
strebungen ehrgeiziger und in der Führung von Staatsgeschäften unerfahrener
Volksredner in den Parlamenten wie in der Presse. Dazu kamen auf dem engeren
Arbeitsgebiet Neumayers die ganzen Verhältnisse auf dem Gebiet der Navigation
und der Niedergang, welcher die deutsche Flottenbewegung gerade 1850 traf.
Zwar hatte schon 1833, also lange vor Maury, der preußische Minister Beuth
versucht, durch Einführung gleichmäßiger Wetterbücher und die Verwendung
geprüfter Instrumente zuverlässige Beobachtungen von See zu erhalten. Doch
blieb diese Einführung auf einige Schiffe der preußischen Seehandlung beschränkt,
und die Hauptsache unterblieb, nämlich die Nutzbarmachung der gesammelten
Beobachtungen für weitere Fahrten, Das einzige deutsche Werk von wissen-
schaftlichem Wert für den deutschen Seemann war Charles Rümkers „Lehr-
buch der Navigation“ Dazu kam, gerade als Neumayer den Seemannsberuf er-
greifen wollte, die furchtbare Nachricht, daß auf höheren Befehl die deutsche
Flotte durch Hannibal Fischer versteigert war, Die Hoffnungen Lists und
seiner Freunde, auch die Hoffnungen Neumayers schienen damit für lange Zeit
vernichtet.
Nichts aber vermochte Neumayer in dem einmal gefaßten Entschluß schwan-
kend zu machen, nichts ließ ihn an der Richtigkeit der einmal gefaßten Er-
kenntnis und der Notwendigkeit ihrer Durchführung zweifeln. War es ihm als
Binnenländer unmöglich, in einer Staatsmarine die praktische Ausbildung zu
erlangen, so blieb immer noch die Möglichkeit hierzu in der Handelsmarine.
Kurz entschlossen führ Neumayer im August 1850 nach Rotterdam, wo er bald
auf der Hamburger Bark „Louise“ Kapitän Wurthmann, angemustert wurde,
Die Reise führte ihn von Holland über England nach Brasilien und im April
1851 nach einer sehr stürmischen Überfahrt nach Hamburg zurück, Wie schwer
Neumayer die körperlichen Anstrengungen des Seemannsberufes fielen, mit
welcher Energie er aber auch diese zu überwinden wußte, möge folgendes
Erlebnis zeigen. Kurz vor der Ausreise waren dem Kapitän wegen Neumayers
Anmusterung Bedenken gekommen. Das Schiff hatte unter anderem als Ladung
14 000 Mauersteine zugewiesen erhalten. Neumayer erhielt den Auftrag, bei der
Übernahme, die wurfweise von Hand zu Hand erfolgte, in die Reihe der Arbeiter
einzutreten. Zwar Neumayers Hände wurden bei dieser harten ungewohnten
Arbeit, die einen vollen Tag dauerte, böse mitgenommen, an vielen Stellen hing
die Haut herunter, doch er hielt durch; zwei Tage mußte er zur notdürftigen
Beseitigung der Schwellungen die Hände in warmes Öl tauchen, doch die vom
Kapitän vermutete Bitte um Entlassung stellte er nicht. Gewonnen hatte er aber
in dem Kapitän, der seine Willensstärke schätzen gelernt hatte, einen treuen
Berater und Förderer seiner Interessen,
Hinsichtlich Neumayers weiterer Fahrten, seiner seemännischen Ausbildung
und seiner Bemühungen zur Förderung der deutschen Seefahrt sei auf die fol-
gende Abhandlung (A. Paulus) verwiesen. 1851 bezog Neumayer die von dem
hochverdienten Charles Rümker geleitete Hamburger Navigationsschule und legte
bereits nach sechs Wochen sein Steuermanns-Examen ab. Zur Vertiefung seiner
theoretischen nautischen Kenntnisse war er noch einige Monate als Hilfslehrer an
der Schule tätig. Seine daran anschließenden Versuche, in der Österreichischen
Marine eine Anstellung als Gelehrter zu finden und seine Tätigkeit an der Seefahrt-
schule zu Triest als Lehrer für Mathematik und nautische Astronomie führten
zu keinem befriedigenden Ergebnis, Nach siebenmonatigem Aufenthalt kehrte
Neumayer nach Hamburg zurück und trat als Matrose auf der Hamburger Bark