Neumayer als Deutscher und Gelehrter.
Von Dr. P. Heidke,
ındert Jahre sind am 21. Juni 1926 verflossen, seit Georg Balthasar
Neumayer zu Kirchheimbolanden in der bayrischen Rheinpfalz als
Sohn des dortigen Bürgermeisters und Königlichen Notars Neumayer
geboren wurde. Seinen ersten Schulunterricht erhielt er in Frankenthal,
wohin die Familie 1832 übersiedelte. Später bezog er das Gymnasium zu Speyer.
Der vorzügliche Unterricht des dortigen Mathematikers Friedrich Magnus Schwerd
lenkte bereits frühzeitig Neumayers Interesse in besonderem Maße auf die exakten
Wissenschaften, Auch außerhalb des Unterrichts beschäftigte sich Schwerd viel mit
seinen Schülern, stellte ihnen astronomische und geodätische Aufgaben und ließ sie
als Gehilfen an seinen Arbeiten teilnehmen. Mit hoher Anerkennung hat Neumayer
stets seines verehrten Lehrers gedacht, dessen Lebensgang und Bedeutung für
Astronomie und Geodäsie er in einem Vortrag (Dürkheim 1902) geschildert hat,
Nach gut bestandenem Abgangsexamen bezog Neumayer 1845 die Technische Hoch-
schule zu München, um Ingenieurwissenschaften zu studieren; 1849 legte er an
ihr das theoretische Staatsexamen ab. Noch während dieser Studienzeit hörte
er an der Universität die Vorträge des Physikers Professor Dr. Reindl und des
Astronomen Professor Dr. Lamont. Unmittelbar nach abgelegtem Staatsexamen
bot ihm Reindl eine Assistentenstelle am physikalischen Institut der Universität
München an, Gern ergriff Neumayer die erwünschte Gelegenheit zur Vertiefung
seiner physikalischen Kenntnisse.- Gleichzeitig arbeitete er sich unter Lamonts
Leitung in die von Gauß aufgestellte Theorie des Erdmagnetismus ein und führte
Beobachtungen im Felde aus. Bis ins höchste Alter blieb Neumayers lebhaftes
Interesse dieser Wissenschaft zugewandt; zahlreiche Gelehrte und Praktiker hat
ar später persönlich in der Anstellung erdmagnetischer Beobachtungen unter-
wiesen, Als die Elektrisierung der Straßenbahnen in Hamburg am Tage die An-
stellung erdmagnetischer Beobachtungen im Kompaß-Observatorium der Seewarte
anmöglich machte, scheute der Sechsundsiebenzigjährige nicht die Strapaze,
morgens gegen 4 Uhr unter anderen den Verfasser als seinen persönlichen Assi-
stenten in diesen Beobachtungen auszubilden. Um zu zeigen, wie und an welcher
Stelle er seit Jahrzehnten bei Altona nahe der Diebsmühle und auf Helgoland
Deklinationsbeobachtungen ausgeführt hatte, schrak er vor keinen körperlichen
Anstrengungen zurück; stundenlang hielt er im brennenden Sonnenschein aus.
Selbst über Zäune kletterte er hierbei mit hinweg. Niemals werde ich vergessen,
mit welch rührender Liebe und Dankbarkeit der greise Gelehrte hierbei in jugend-
licher Begeisterung seines verehrten Lehrers Lamont gedachte. Am Ende seines
Assistentenjahres bestand Neumayer an der Universität München sein Doktor-
examen.
Noch in einer anderen Beziehung wurde aber dies Münchener Assistenten-
jahr für Neumayers ganzen Lebensgang von besonderer Bedeutung. Er lernte
damals die Schriften des aus Reutlingen stammenden Nationalökonomen Friedrich
List kennen. Völlig zu eigen machte er sich dessen Gedankengänge, besonders
den Hinweis in seinem berühmten Werk „Das nationale System der politischen
Ökonomie“, daß Deutschland nur dann die ihm gebührende Stellung unter den
Großmächten Europas neu begründen und behaupten könne, wenn es sich wieder
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